Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fey 10: Das Seelenglas

Fey 10: Das Seelenglas

Titel: Fey 10: Das Seelenglas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristine Kathryn Rusch
Vom Netzwerk:
das Warten.
    Arianna glaubte nicht, daß sie an diesem Ort Wochen oder gar Monate warten konnte. Die meisten Dinge durfte sie nicht anfassen, sie durfte nichts arbeiten – nicht, daß sie jemals zuvor unbedingt hatte arbeiten wollen –, und sie durfte auch nicht weggehen.
    Am schlimmsten war, daß sie nicht weggehen durfte.
    In den vergangenen Tagen hatte sie sich freiwillig dafür gemeldet, über das Lager der Fey zu fliegen, um zu sehen, was dort vor sich ging. Sie hatte sich freiwillig gemeldet, sich in Constantia umzuhören, welche Pläne dort geschmiedet wurden. Beide Male war ihr Angebot abgelehnt worden. Ihr Vater, Coulter und angeblich auch ihre Mutter befürchteten, die Fey könnten sie erkennen und gefangennehmen.
    Als ob Arianna so dumm wäre. Sie war schneller als die meisten Vögel und konnte sie austricksen, doch die Fey verfügten, wie ihr Bruder Gabe bemerkt hatte, über Vogelreiter, die nicht minder klug waren als sie.
    Sein Kommentar hatte sie wie eine Beleidigung getroffen. Schließlich mußte sie als Prinzessin zweier Völker wohl klüger sein als ein gewöhnlicher Vogelreiter! Aber dann hatte sie bemerkt, daß sie zu aufbrausend reagierte, wie so oft, wenn Gabe mit im Spiel war. Sie versuchte, ihre Reaktion unter Kontrolle zu halten, aber das fiel ihr immer schwerer. Er war zuvorkommend, er gab sich Mühe, aber er war nicht Sebastian.
    Sie vermißte Sebastian sehr.
    Sie lehnte sich an die Wand des Höhleneingangs und spähte vorsichtig hinaus, so wie sie es ihrem Vater versprochen hatte. Sie vergewisserte sich, daß niemand sie sehen konnte, wobei sie nicht nur den Boden, sondern auch den Himmel absuchte, was Leen und Coulter immer wieder vergaßen.
    Sie mußte sie daran erinnern oder ihren Vater darum bitten. Er wirkte gedankenverloren. Seit er das Wasser berührt hatte und sie ihn auf dem Boden vor dem Brunnen aufgefunden hatten, schien er irgendwie verändert; abwesend, als veranlaßte ihn etwas zum unablässigen Nachdenken. Als hätte er in die Dunkelheit geblickt und etwas gesehen, das ihm nicht gefiel. Sie hatte versucht, ihn zum Sprechen zu bewegen, aber er hatte nichts preisgegeben.
    Bis auf das kurze Gespräch gleich nach seinem Erwachen. Und seither grübelte Arianna darüber nach.
    Entscheidungen. Letztendlich lief alles darauf hinaus.
    Eine Wahl treffen.
    Ihr Vater hatte eine Wahl getroffen, ohne auch nur einen von ihnen ernsthaft zu Rate zu ziehen. Nach diesem letzten Zwischenfall hatte er eine Wahl treffen müssen, eine Wahl, die keiner der anderen, sie eingeschlossen, wirklich verstanden hatte.
    Sie strich sich eine Haarsträhne hinter das Ohr. Die vergangenen Wochen, die sie unterwegs gewesen waren, und jetzt, hier in dieser Höhle, hatten sie vieles über Entscheidungen gelehrt. Es war nicht so leicht, wie es im Palast den Anschein gehabt hatte. Seit dem Tag, an dem sie glaubte, Sebastian sterben zu sehen, hatte sie begriffen, daß ihre Jungmädchentage vorüber waren. Dazu kam, daß ihr früheres Leben sie nur auf sehr wenig vorbereitet hatte. Kein Wunder, daß Solanda sich so oft aufgeregt hatte. Kein Wunder, daß sich Solanda darüber gesorgt hatte, daß Arianna nicht lernen wollte, wie man eine Fey war.
    Sie hatte es nicht gelernt.
    Sie mußte es jetzt lernen, ohne dabei ihr Inselerbe zu verleugnen. Sie mußte stark und kriegerisch sein und schwierige Entscheidungen treffen, so wie ihr Vater – der kein Fey war.
    Arianna lächelte. Vielleicht kam es nicht unbedingt darauf an, wie eine Fey zu werden. Aber ihr ganzes Leben lang hatte sie geglaubt, das starke Volk auf dieser Welt seien die Fey, und die Inselbewohner seien immer die Schwachen. Sogar in ihrem Elternhaus schien es so zu sein. Solanda war stark und lebhaft und emotional; ihr Vater wirkte ruhiger, vernunftbetonter, ein Mann, der selten aus sich herausging.
    Bis der Schwarze König kam.
    Inzwischen war Solanda tot. Ihr Vater nicht.
    Sie lehnte den Kopf an den Stein. Er war kühl. Leen war von den Edelsteinen zum Rand des Vorsprungs gegangen. Hinter ihr huschte ein Schatten über die Steine.
    Ein riesenhafter Schatten.
    Arianna folgte ihm mit finsterem Blick. Er bestand aus mehreren vogelartigen Wesen mit einem großen Gebilde in der Mitte. So etwas hatte sie noch nie gesehen.
    Sie machte einen Schritt aus der Höhle hinaus, obwohl sie das eigentlich nicht ohne die ausdrückliche Erlaubnis ihres Vaters tun sollte, und schaute nach oben.
    Dort am Himmel flogen ein Dutzend oder mehr Falken zu einem strengen Quadrat

Weitere Kostenlose Bücher