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Fey 10: Das Seelenglas

Fey 10: Das Seelenglas

Titel: Fey 10: Das Seelenglas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristine Kathryn Rusch
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würden zu diesem Zeitpunkt bereits tot sein, ohne daß die Inselleute es wußten. Sie würden weiterkämpfen, waren dann jedoch ihrer Führung beraubt.
    Und sie würden verlieren.
    Es war ein solider Plan. Es war ihr Plan, wenn auch mit einigen Abwandlungen, und er würde funktionieren.
    Sie holte noch einmal tief Luft und blickte abermals zum Himmel empor. Die Sonne stand an der richtigen Stelle. Sie musterte ihre Soldaten. Alle waren bereit. Falls sie von den gleichen Zweifeln geplagt wurden, die ihr zusetzten, so ließen sie sich nichts davon anmerken. Erstaunlich, wie die Ankunft des Schwarzen Königs zur Hebung der Moral beitrug.
    Sie sah sich um, erblickte noch mehr Infanterie, die in Richtung der Berge zog, sah die Fußsoldaten aus ihren Stellungen im Tal aufbrechen.
    Die Zeit war gekommen.
    Sie hob den Arm, und die erste Reihe Soldaten nahm Haltung an.
    Dann ließ sie den Arm rasch fallen, und ihre erste Angriffswelle stürmte die Anhöhe hinunter.
    Diesmal waren die Inselbewohner vorbereitet. Eine kleine Streitmacht eilte aus der Stadt heraus, um die Fey am Fuß der Hügelkette zu stellen. Einige tragen Waffen. Schwerter. Andere schossen mit Pfeilen von den Gebäuden am Stadtrand.
    Wieder andere standen auf den Straßen, hielten die Hände ausgebreitet und rezitierten einen Bannfluch.
    Ihre Truppen waren nicht immun gegenüber Bannflüchen. Niemand war immun dagegen. Sie hielten mitten im Lauf inne, waren nicht mehr in der Lage, sich vorwärtszubewegen, aber diesmal waren sie vorbereitet. Sie erstarrten nicht mehr so reglos wie die Soldaten in der ersten Schlacht. Sie ließen sich nicht zurückdrängen und kämpften.
    Was ihnen allerdings auch nicht sehr gut bekam. Die Inselbewohner schienen sie in Stücke zu hauen.
    Licia verspürte ein Flattern im Magen, eine Nervosität, die zum ersten Mal aufgetreten war, als sie den Rückzug befohlen hatte. Trotzdem war die Zeit absolut richtig gewählt. Jetzt mußte sie die zweite Angriffswelle losschicken.
    Unter ihr floß Blut, und es war Fey-Blut.
    Köder, rief sie sich in Erinnerung. Wir sind Köder.
    Sie hob den Arm, und die zweite Welle, gute Soldaten, die sie waren, nahm Haltung an. Sie senkte den Arm, und sie stürmten die Anhöhe hinab.
    Sie schienen auf den gleichen Widerstand zu treffen wie die erste Welle, aber sie griffen aktiv in den Kampf ein. Bei dem Sonnenlicht, das sich tausendfach im Metall der Waffen brach, konnte sie kaum etwas erkennen. Aber sie hörte die Schmerzensschreie, gemischt mit dem Schlachtruf der Fey. Hier und da stieg Siegesgebrüll in die Morgenluft.
    Diesen Laut hatte sie vermißt. Jawohl, die erste Welle war ein Opfer, und wahrscheinlich hatte sie das gewußt. Aber der zweiten Welle erging es besser. Die Inselbewohner hatten keine weiteren Kampfverbände aus der Stadt geschickt, obwohl die Pfeile noch in dichten Schwärmen von den Häusern aufstiegen. Sie verfügten nicht annähernd über die Reserven, auf die die Fey zurückgreifen konnten.
    Trotzdem töteten die Inselbewohner mehr Fey, als ihr lieb war. Ihre Schwerter schienen sich schneller zu bewegen als die der Fey, sie schienen besser zu treffen und mit unfehlbarer Sicherheit tödliche Verletzungen auszuteilen. Immer noch sah sie Blut aufspritzen und in Bächen über den Boden rinnen.
    Es war ein Gemetzel, genau wie beim ersten Mal.
    Sie runzelte die Stirn und wünschte sich, sie könnte besser in die Stadt hineinsehen. Sie wollte wissen, ob die Tierreiter bereits losgeschlagen hatten.
    Aber das spielte keine Rolle. Ihre Aufgabe bestand darin, hier oben zu bleiben und ihre Soldaten hinunterzuschicken, damit sie die Inselbewohner ablenkten.
    Ein drittes Mal hob sie den Arm. Zum dritten Mal nahmen ihre Infanteristen Haltung an. Und zum dritten Mal schickte sie sie hinunter in den Tod.
    Sie tat es in gutem Glauben.
    Glauben an sich selbst.
    Glauben an ihren Plan.
    Glauben an den Schwarzen König.
    Sie mußte einfach daran glauben, daß das Imperium der Fey siegreich aus diesem Kampf hervorging, so wie aus allen Kämpfen zuvor. Andernfalls war alles, was zuvor geschehen war, bedeutungslos.
    Immer mehr Leichen bedeckten die Wiesen und Felder unter ihr. Die meisten davon waren Fey.
    »Glauben«, flüsterte sie leise vor sich hin und hoffte, daß genug davon in ihr war.

 
24
     
     
    Marly hielt sich in dem provisorischen Krankenhaus auf, als sie den Schlachtruf vernahm. Sie erschauerte.
    Erst in der Nacht zuvor hatten sie das Hospital vom Stadtrand in ein gut ausgestattetes Haus

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