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Fey 10: Das Seelenglas

Fey 10: Das Seelenglas

Titel: Fey 10: Das Seelenglas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristine Kathryn Rusch
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unweit der Versammlungshalle verlegt. Mehrere Stadtleute hatten die Verwundeten getragen, andere stellten ihre eigenen Betten zur Verfügung. Marly hatte einige der älteren Damen mitgebracht, die bei der Versorgung und auch allgemein bei der stadtweiten Koordination halfen.
    Im Augenblick war sie jedoch bis auf die Verwundeten allein. Viele ihrer Helfer standen draußen auf dem Schlachtfeld. Andere – eigentlich die meisten – rezitierten Zaubersprüche, die die Fey in Schach halten sollten. Der Gedanke, daß sie die einzige Gesunde im ganzen Haus war, gefiel ihr nicht.
    Als der Schlachtruf herüberhallte, kümmerte sie sich gerade um einen der jungen Kämpfer, der beim ersten Angriff verletzt worden war. Er hatte einen Arm verloren, woran sie nichts ändern konnte, und er war untröstlich darüber, daß er nicht mehr mitkämpfen konnte; und er machte sich Sorgen um seine Zukunft.
    Sie war nicht sicher, ob er überhaupt noch eine Zukunft hatte. Ob sie alle noch eine Zukunft hatten. Aber sie nahm tröstend seine verbliebene Hand, drückte sie zuversichtlich und ging dann an den vielen noch leeren Betten, die, wie es schien, auf die Opfer der neuen Attacke warteten, vorbei zur Tür.
    Sie wußte nicht, was sie tun sollte. Niemand hatte ihr Anweisungen gegeben. Alle sahen sie als diejenige an, die für die Verwundeten zuständig war. Sie hatte es keineswegs so gewollt, aber ihre Heilergabe hatte sie für diese Position auserkoren, diese Gabe, die sie schon seit jeher hatte. Ihr Bruder Jakib hatte es früher gewußt als sie und immer seine Freunde zu ihr gebracht, wenn sie sich bei einem krummen Ding verletzt hatten, etwa bei einem Raubzug in das Haus eines Adligen oder bei einem vielversprechenden Einbruch. Er war auch derjenige gewesen, der Matthias gefunden und zu ihr gebracht hatte.
    Matthias.
    Kurz vor der Tür blieb sie stehen und wischte sich die Hände am Rock ab.
    Sie versuchte nicht an ihn zu denken.
    Noch nie zuvor war sie einem Mann wie ihm begegnet. Groß, machtvoll und dabei so völlig unsicher. Zur Bestürzung der anderen hatte sich in ihn verliebt, und sie hatte nicht versucht, es zu verheimlichen.
    Sie hatte um nichts gebeten, und er hatte ihr nichts gegeben, bis auf das leere Versprechen, wohlbehalten zurückzukehren. Schon einmal hatte er dieses Versprechen gegeben und war auf dem Berg beinahe umgekommen. Diesmal, davon war sie überzeugt, würde er dort oben sterben.
    Sie hatte gewußt, daß er zurückgehen würde, obwohl er ihr nichts davon gesagt hatte. Sie hatte es in seinen Augen gesehen, an seiner ganzen Haltung, und daran, wie er der Frage jedesmal ausgewichen war.
    Das Gefühl kam wieder, leise und seltsam und dissonant. Dabei hatte sie jetzt keine Zeit, an Matthias zu denken. Sie hatte keine Zeit, hinter ihm herzuträumen und sich um ihn zu sorgen, auch nicht, wenn er sich nicht selbst um sich sorgte.
    Sie mußte ein Krankenhaus vorbereiten und diesem Gefühl auf den Grund gehen.
    Das Gefühl beunruhigte sie.
    Sie legte die Hand auf den Türgriff und zog daran.
    Das blasse Sonnenlicht überraschte sie. Sie hatte vor Tagesanbruch zu arbeiten angefangen; inzwischen war es beinahe Mittag. Ein kleines, dunkles, wuseliges Wesen flitzte so schnell an ihren Füßen vorbei, daß sie die Bewegung eher spürte als wirklich sah.
    Von der Schwelle aus konnte sie den Schlachtenlärm hören. Schreie, Gebrüll und dieses seltsame Heulen, das bei der Schlacht um Jahn durch die Hauptstadt gehallt war. Die Hügel und die Felder darunter waren von Leichen übersät. Kaum sichtbar zischten Pfeile durch die Luft. Klingen blitzten im Sonnenlicht. Ihr Magen drehte sich um, und sie legte schützend eine Hand auf den Bauch.
    An diesem Tag würden noch viele Menschen sterben, sehr viele – und wofür? Für ein Stückchen Land? Eine andere Lebensweise? Matthias war davon überzeugt, daß die Fey böse waren. Marly nicht. Sie hielt sie einfach nur für anders. Das Leben bedeutete ständigen Wandel, und die Fey brachten diesen Wandel mit sich.
    Aber hier ging mehr vor sich als eine Schlacht auf den Hügeln.
    Etwas tat sich in der Stadt selbst.
    Sie sah nach unten. Überall rannten Ratten um sie herum. Ratten mit kleinen nackten Leuten auf den Rücken.
    Sie unterdrückte einen Schrei und blieb auf der Schwelle stehen, sorgsam darauf bedacht, das Pflaster nicht zu betreten. Die Ratten kümmerten sich nicht um sie. Sie rannten so schnell, wie sie Ratten noch nie hatte rennen sehen – in Richtung Versammlungshalle.
    Die

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