Fey 10: Das Seelenglas
einige der Männer in den vergangenen Tagen hergestellt hatten.
Trotzdem hallte der Singsang wie Trommelwirbel in seinem Kopf. Er spürte ihn mehr, als er ihn hörte.
Weiche.
Weiche.
Weiche.
Die Fey ließen sich nicht davon in die Flucht schlagen, diesmal nicht, aber es hielt sie immerhin davon ab, weiter vorzudringen. Und im Gegensatz zum letzten Angriff kämpften sie dort, wo sie zum Stillstand gebracht wurden, unverdrossen weiter.
Die Fey zogen ihre Lehren aus dem, was ihnen widerfuhr, und sie versuchten, Dinge zu verändern.
Denl stand auf ebenem Boden, ungefähr auf dem Gebiet, auf dem die Fey zuvor aufgehalten worden waren. Er stand nicht in der ersten Verteidigungslinie – das hatte er Matthias versprochen –, aber er hielt sich auch nicht so weit hinten, wie er gesagt hatte.
Schweiß rann ihm über das Gesicht. Seine Arme wurden müde. Er schwang sein Schwert, wieder und wieder und wieder, und das Schwert schnitt und schnitt und schnitt. Ein Fey nach dem anderen stellte sich ihm in den Weg, er nahm sie schon nicht mehr als Menschen wahr, sondern nur als Teile, die zerschnitten werden mußten. Während er das tat, waren seine Gedanken ganz woanders, er dachte an ihre Ziele und an die Klippenbewohner hinter ihm.
Hätte sich Denl auf das konzentriert, was er da tat, wäre er wohl schreiend vom Schlachtfeld gerannt.
Die Klippler verfügten eigentlich nicht über genügend Kämpfer. Und obwohl sie Nachrichten an die anderen Siedlungen am Fuß der Blutklippen ausgesandt hatten, hatte keines dieser Dörfer Kämpfer entsandt.
Pausho wußte nicht, ob es daran lag, daß sie einfach nicht glaubten, daß es hier Probleme gab, oder daß es ihnen nicht möglich war, nach Constantia durchzustoßen.
Denis Füße waren naß vom Blut. Auch die Klippler links und rechts von ihm hackten und stießen ohne Unterlaß in den Feind. Sie hatten geübt, so weit wie möglich voneinander entfernt zu stehen, ohne ihre Verteidigungslinie durchlässig werden zu lassen. Dabei war das nicht einmal nötig. Solange die Beschwörer nicht zu singen aufhörten, gingen die Fey keinen Schritt weiter.
Er führte einen Stoß aus und hätte beinahe die Balance verloren. Rasch streckte er die Hand mit dem Messer aus, um nicht zu Boden zu gehen. Dabei sah er unvermittelt nach unten. Der Boden zu seinen Füßen war nicht nur blutverschmiert, sondern auch mit Leichen und Körperteilen, meistens Armen, übersät. Die gefallenen Fey waren größtenteils noch am Leben, aber mit abgetrennten Gliedmaßen. Sie verbluteten.
Übelkeit stieg in ihm auf, und er mußte schlucken, um nicht das wenige, das in seinem Magen war, zu verlieren.
Er richtete sich wieder auf, das Blut auf seiner Messerhand klebte an seiner Haut. Er war völlig mit Blut besudelt – Fey-Blut –, und bis jetzt hatte er es nicht einmal gespürt.
Konzentriere dich.
Konzentriere dich.
Er mußte an etwas anderes denken.
Seine Arme bewegten sich wie mechanisch. Immer noch konnte er die Gesänge hören, und solange er sie hörte, mußte er sich um seine Rückendeckung keine Sorgen machen. Kein Fey kam an ihm vorbei. Kein Fey unternahm auch nur den Versuch dazu.
Genau das machte ihm Sorgen.
Er hob den Kopf und spürte, wie ihm der Schweiß in die Augen rann. Eine Fey kam näher und schien die Toten und Verwundeten rings um Denl nicht einmal wahrzunehmen. Sie hob ihr Schwert, ließ es niedersausen und erwischte ihn. Jetzt war es sein Blut, das von seinem rechten Handgelenk rann.
Der Schmerz durchzuckte ihn, und er stieß einen Fluch aus, den er einmal geschworen hatte, nie wieder auszusprechen. Er hob den Arm, schlug nach ihr und schlitzte ihr den Bauch auf. Sie öffnete den Mund, starrte ihn an und holte noch einmal aus, während ihr bereits die Eingeweide aus dem Bauch quollen. Der Schlag verfehlte ihn, sie fiel auf die Knie.
Weil er sie plötzlich als Person sah, weil er sie überhaupt wahrnahm, konnte er ihre Todesqualen nicht ertragen.
Er ging einen Schritt auf sie zu und stieß ihr mit der Linken das Messer ins Herz.
Der nächste Fey kam heran, zielte nach Denis Hals, doch diesmal wich er rechtzeitig aus. Er mußte sich wieder dem Kampfgeschehen widmen. Wenn er darüber nachdachte und sich die Opfer ansah, konnte er plötzlich nicht mehr so gut kämpfen.
Er mußte wieder in diesen mechanischen Zustand finden, diese Verfassung, in der er nichts fühlte.
Er holte aus, schlug zu und spürte, wie die Erschöpfung von seinen Muskeln Besitz ergriff, wie er immer tiefer in
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