Fey 10: Das Seelenglas
wissen gefürchtet hatte.
Das hier war nicht der ganze Plan. Die Fey beschäftigten die Klippler nur, während sie insgeheim etwas anderes im Schilde führten.
Aber was?
Was?
Denl drehte sich um und brüllte auf die Klippler hinter ihm ein, sah sich jedoch sofort dem nächsten Angreifer gegenüber. Er war noch nicht fertig. Er durfte ihnen nicht den Rücken zuwenden.
Wenn er das tat, würde er sterben.
Und dann würde niemand davon erfahren.
Niemand würde es wissen.
Ihm blieb nichts anderes übrig, als weiterzumachen – und zu hoffen, daß er überlebte.
Hoffen, daß sein Körper länger aushielt als die Verstärkung der Fey.
Aber er war nicht sicher, daß es soweit kommen würde.
Er war überhaupt nicht sicher.
26
Die Vögel waren am schlimmsten.
Jakib legte schützend die Hände auf den Kopf und ging hinter dem Glasbläserstand in Deckung. Die Vögel, die auf seinen Schädel einhackten, bohrten ihre Schnäbel in seine Kopfhaut. Mehr als einmal hatten sie ihn erwischt und ihm eine blutende Wunde zugefügt. Er spürte warmes Blut über sein Gesicht rinnen. Und das Schlimmste war, daß sie dabei vor Vergnügen schrien.
Es waren keine Vögel, sondern Fey-Vögel von der Sorte, auf der winzige Fey reiten konnten. Er wußte nicht, wie man sie nannte, aber er wußte, daß es sie gab. Er hatte schon andere solche Fey-Wesen gesehen, in Jahn. Wesentlich größere.
Trotzdem konnten die Vögel, wenn er sich nicht vorsah, kurzen Prozeß mit ihm machen.
Rings um ihn herum fiel edles Glas zu Boden und ging auf dem Pflaster zu Bruch. Auch die Klippenbewohner schrien, nur schrien sie vor Angst und Entsetzen. Darauf waren sie nicht vorbereitet. Er, Yasep und Matthias hatten ihnen, warum auch immer, vergessen zu erzählen, wozu die Fey noch alles in der Lage waren.
Wie hatten sie nur die Vögel vergessen können?
Etwas zwickte ihn in die Wade. Er stöhnte laut auf und schlug mit der Hand danach. Er spürte Fell unter den Fingern und sogleich wieder Zähne. Als er, eine Hand immer noch schützend über dem Kopf haltend, nach unten sah, erblickte er eine Ratte.
Eine Ratte mit einem Fey auf dem Rücken.
Oh, diese Kreaturen waren schlau. Die ausgebildeten Kämpfer waren draußen auf dem Schlachtfeld beschäftigt, während der eigentliche Angriff in der Stadt selbst erfolgte. Jetzt war es zu spät. Sie würden sterben.
Sie würden alle sterben.
Er klatschte die Ratte gegen die gemauerte Wand der Hütte. Der Fey-Reiter wurde dabei getötet, das Tier hingegen nicht. Er schlug es abermals dagegen, wieder und wieder, ohne sich darum zu kümmern, wie flach der Körper wurde und wie blutig. Er wollte nur, daß das Vieh seine Hand losließ.
Zu guter Letzt löste es sich und fiel zu Boden. Sofort kam eine andere Ratte herbei, blieb vor dem Kadaver stehen und biß hinein, wie ein Mensch in ein leckeres Stück Fleisch beißen würde. Der Fey auf dem Rücken dieser zweiten Ratte schrie ihr etwas zu und versuchte sie weiter voranzutreiben.
Jakib spürte, wie er Gänsehaut bekam. Vögel über ihm, Ratten unter ihm – man konnte sich nirgendwo verstecken. Kein Wunder, daß die Fey die halbe Welt erobert hatten.
Er hatte keine Waffen bei sich. Er war unvorbereitet, überhaupt nicht in der Lage, sich zu verteidigen. Die Fey-Ratte knabberte immer noch an ihrem Gefährten, und die anderen hatten ihn bislang noch nicht entdeckt, aber das war nur eine Frage der Zeit.
Über ihm krächzten und kreischten die Vögel und schossen immer wieder auf den Verkaufsstand herab. Sie konnten nicht unter das Dach und ihn gleichzeitig angreifen. Für den Augenblick befand er sich in Sicherheit.
Wenn nur die Glaskugeln nicht zerbrochen wären. Es konnten unmöglich die richtigen gewesen sein. Pausho war sicher, daß sie unzerbrechlich waren. Vielleicht wurden sie das ja erst nach einer gewissen Zeit.
Er wußte es nicht. Und er war auch nicht in Lage, darüber nachzudenken.
Eine dritte Ratte war um den Stand herumgekommen und starrte ihn mit funkelnden Augen an. Die Fey auf ihrem Rücken grinste. Sie winkte einer weiteren, die kurz darauf erschien. Dann noch eine und noch eine. Auch die Vögel kreisten nach wie vor über der Bude.
Jakib schluckte.
Er würde hier sterben, ohne sich verteidigen zu können.
Aber er durfte noch nicht sterben. Er hatte Matthias versprochen, auf Marly aufzupassen. Er mußte den anderen mitteilen, was er von der Angriffstaktik in Erfahrung gebracht hatte.
Ein Dutzend Ratten, vielleicht noch mehr,
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