Fia die Betoerende
wirkungsvoll.
Thomas starrte ihn in erstauntem Schweigen an. Er hatte keine, nicht die geringste Ahnung gehabt. Favor hatte ihm mit keinem Wort von diesem Teil der Geschichte ihrer Liebe zu Raine erzählt.
Jamie rollte die Zeichnungen wieder zusammen. „Ich vermute, wir können uns diese Pläne zu einem anderen Zeitpunkt anschauen, was?“ Er schlug sich mit der Papierrolle gegen das Bein, und mit einem letzten Blick zu Thomas wandte er sich um und ging zur Vorderseite der Burg. An der Ecke blieb er noch einmal stehen. „Sie ist das hübscheste Ding, das ich je gesehen habe. Ihr Wesen erinnert mich jedoch sehr an ihren Bruder Raine. Er ist ein guter Mann, jawohl.“
Das kam einem Segen so nahe, wie es Jamie nur möglich war. Wie der Morgen nach finsterer Nacht anbricht, so tat sich in Thomas ein ganzer Reigen hoffnungsvoller Bilder auf, glitzernd, strahlend und - vor allem - erreichbar.
Jamie hatte Recht. Es war mehr als an der Zeit aufzuhören, Carr zu gestatten, solche Macht über ihn und sein Leben zu haben. Carr sollte ihn ruhig aus Schottland vertreiben und aus seiner Heimat verbannen, aber er brauchte ihm nicht zu erlauben, ihm sein Herz zu nehmen. Fia.
Er würde sie fragen, ob sie mit ihm kommen wollte, wenn er von hier fortging.
Als seine Ehefrau.
Fia reckte sich träge wie ein Kätzchen, das gerade eine Schüssel voll Sahne geschleckt hatte. Dreimal hatten sie und Thomas sich dem Liebesspiel hingegeben, und dreimal hatte er sie auf den Gipfel der Lust geführt. . . Bei dem Gedanken daran wurde ihr ganz heiß im Gesicht.
Sie wollte nicht, dass jemand zufällig hereinkäme und sie so, auf einem Bett aus Unterröcken, fände. Denn auch wenn in der feinen Gesellschaft gemeinhin behauptet wurde, sie sei eine Verführerin und von lockerer Moral, so war Fia in Wahrheit doch eher bescheiden und, wenn die Umstände es zuließen, beinahe schüchtern. Darum zog sie sich rasch an, ging dann zum Tisch und setzte sich.
Doch bald vertrieben die Bilder dessen, was Thomas mit ihr auf eben diesem Tisch vor noch gar nicht langer Zeit angestellt hatte, sie wieder von dort. Sie durchwanderte die sich anschließenden Räume und schlenderte den Flur hinab, während sie im Vorübergehen die ruhige Schönheit bewunderte, die Thomas aus den Ruinen hatte auferstehen lassen. Wie von unsichtbaren Fäden gezogen, gelangte sie schließlich wieder in den Hauptteil der Burg und fand sich vor dem verkohlten Rest dessen wieder, was von Carrs Herrschaft übrig war.
Sie schluckte, und eine Gänsehaut breitete sich auf ihren Armen aus. Ein kunstvoll geschnitztes Tischbein schaute unter einem Berg abgebröckelten Stucks hervor. Dort drüben lagen die Scherben einer chinesischen Vase auf dem Boden, verstreut wie die vergessenen Teile des Puzzles eines Kindes. Zwei Ränder eines reich verzierten vergoldeten Bilderrahmens waren an das gelehnt, was von der Wand noch stand.
Vorsichtig suchte sie sich ihren Weg zwischen den Trümmern hindurch. Das hier war ehemals die Große Halle gewesen, die sich an den Haupteingang angeschlossen hatte, und hier - sie stieg über rußgeschwärzte Balken - hatte sich Carrs Arbeitszimmer befunden. Nichts davon war mehr zu erkennen. Der massige Schreibtisch war verschwunden, und wenn die samtbezogenen Stühle und kostbaren Wandbehänge noch dort waren, dann als unkenntliche Aschehäufchen.
Lediglich der Kamin stand noch, mehr oder weniger. Eine Seitenwand war eingestürzt und die Rückseite fehlte völlig. Der kostspielige Kaminsims aus Marmor lag zerbrochen auf dem Boden. Langsam und argwöhnisch wagte sie sich näher, so wie man sich einer toten Schlange nähern würde.
In dem Kaminsims hatte Carr sein Erpressungsmaterial verwahrt. Fia kniete nieder und wischte die dicke Ascheschicht fort, die den Marmor bedeckte. Die zweite . . . nein, die dritte Fuge von rechts. Sie fuhr mit den Fingernägeln unter den Rand und versuchte sie anzuheben. Nichts geschah.
Sie sah sich um und entdeckte ein kurzes Stück verrußten Bilderdraht. Sich vorbeugend griff sie danach und verbog das eine Ende zu einem Haken, den sie unter den Rand der Marmorfliese schob. Nach wenigen Versuchen ließ sich die Steinplatte abheben und gab den Blick frei auf ein gähnendes schwarzes Loch. Zögernd steckte sie ihre Hand hinein. Ihre Finger schlossen sich um einen dicken Packen Papiere, dünne, trockene Bögen, die so brüchig waren, dass sie jederzeit zu zerfallen drohten. Ganz vorsichtig holte sie sie heraus.
Es war ein Stapel Briefe
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