Fia die Betoerende
Versuchung nicht widerstehen könnte, jeden Mann in meinen Bann zu ziehen, den ich sehe.“
„Wer hat das gesagt?“ erkundigte sich Gunna verwirrt.
„Thomas Donne.“
Gunna stockte der Atem. Vor Jahren war Thomas Donne Gast auf Wanton's Blush gewesen. Er war Fia mit nachlässiger Höflichkeit und zögerndem Interesse begegnet. Fia, jung und auf schmerzhafte Weise einsam, hatte sich augenblicklich in den hoch gewachsenen Schotten verliebt. Das war kein großes Wunder. Er war einer der wenigen Männer ihrer Bekanntschaft, der weder ein lüsterner Wüstling noch ein kriecherischer Speichellecker war.
Doch ihre Schwärmerei hatte ein abruptes Ende gefunden. Gunna hatte nie erfahren, was Thomas gesagt oder getan hatte, aber über Nacht war Fias inbrünstige Jungmädchenschwärmerei gestorben und von kalter Feindschaft ersetzt worden. Danach war Fia erwachsen geworden. Ihre äußere Schicht aus zynischer Blasiertheit, unter der sich ein verwirrtes, leidenschaftliches junges Mädchen verbarg, war vor diesem Ereignis dünn gewesen. Nach Thomas Donne war der Zynismus echt geworden.
„Wo haben Sie ihn gesehen?“
„Er kam heute Morgen zu mir, um mich zur Rede zu stellen. “
„Und? Er ist ein selbstgerechter Narr, mehr nicht. Er irrt sich.“
Fia hob den Kopf. Ihre Augen schimmerten hell, aber ihr Mund war hart. „Nein. Er hat Recht, Gunna. Aber Recht zu haben gibt Thomas Donne noch lange nicht das Recht, mich zu verurteilen. Seine Seele ist mindestens genauso schwarz wie meine.“
Gunna runzelte die Stirn, unsicher, was Fia damit meinte.
„Erinnerst du dich noch, als Ash auf Wanton's Blush war und Rhiannon Russell plötzlich verschwunden war?“ fragte Fia tonlos. „Es war Thomas Donne, der Ash die Nachricht überbrachte, dass Rhiannon ihn verlassen hat, und er hat Ash mit dieser Nachricht fast gebrochen. Er hatte seine Hände dabei im Spiel, das könnte ich beschwören. Ich war da. Ich sah sie, Carr, Ash und den rechtschaffenen Mr. Donne. Kein Überbringer schlechter Nachrichten hätte zufriedener mit sich aussehen können als Thomas Donne.“
Gunna fuhr zurück. Thomas Donne war ihr nie wie jemand vorgekommen, der Freude aus den Qualen eines anderen beziehen würde.
Fia straffte ihre Schultern. Ihre Worte allein verrieten die Tiefe der Gefühle, die sie bewegten. „Ich schwöre, bevor ich hiermit fertig bin, wird er vor mir auf den Knien liegen.“
Fia stieg die geschwungene Treppe zum ersten Stock empor, ging an einem Hausmädchen vorbei, das gerade damit beschäftigt war, das Treppengeländer zu polieren, und an einem Lakai, der die Kerzen in einem der Kristallkandelaber austauschte. Die glänzende Silberschale auf dem Tisch neben dem oberen Treppenende enthielt frische rote Rosen, deren exotischer Duft den Flur erfüllte. Durch das Fenster über ihr strahlte hell die Sonne. Sie bemerkte kaum etwas davon.
An ihrem Boudoir angekommen, öffnete sie die Tür und trat ein. Alles war im neusten französischen Stil eingerichtet. Eine geschwungene Kommode stand an einer Wand, auf der glänzenden Oberfläche drängte sich eine Sammlung Schnupftabakdosen, jüngst erweitert durch ein exquisites Exemplar aus Meißen. An der gegenüberliegenden Wand war der reich mit Einlegearbeiten verzierte Frisiertisch, der darauf stehende Spiegel umrahmt von schweren karmesinroten Samtvorhängen. Mit karmesinrotem Samt waren auch zwei zierliche Polsterstühle bezogen.
Sie durchquerte den Raum, ohne sich an der Schönheit ihrer Umgebung zu erfreuen. Nichts von dem hier hatte sie selbst ausgesucht. Alles, das Stadthaus, die Möbel, die Einrichtung, ihre Kleider, die Diener und sogar die Mahlzeiten waren von Carr gemietet, gekauft, bestimmt, ausgewählt, angestellt und bezahlt worden, und er bestritt auch den laufenden Unterhalt. Das alles zu dem einen Zweck, reiche und mit besten Beziehungen versehene Bewerber um ihre Hand anzulocken.
Fia stieß die Tür auf, die von dem Boudoir zu einem schmalen Hinterzimmer führte, in dem sie sich zu einem eleganten Schreibtisch begab. Sie blieb stehen und zog den vergoldeten Stuhl vor, der darunter geschoben war. Trotz ihrer äußerlichen Gelassenheit schlug ihr das Herz bis zum Hals. Sie musste sehr vorsichtig sein.
Carr hatte alle Diener des Haushaltes angestellt - bis auf Gunna und Porter, den Butler. Alle waren seine Spione, Strohmänner und Schnüffler.
Mit wenigen geübten Handgriffen entfernte Fia das Sitzpolster von dem Stuhl. In einem kleinen Hohlraum darunter lag ein
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