Fia die Betoerende
hatte, hatte sie ihm stets gute Dienste dabei geleistet, Freibeutern und Seeräubern davonzusegeln.
„Gehen wir auf dieses Boot?“ fragte Fia, als er über die schmale Gangway schritt und ihr die Hand entgegenstreckte.
„Das ist ein Schiff, kein Boot“, verbesserte er sie. Sie legte ihre Hand in seine und selbst durch die Handschuhe hindurch sandte die Berührung ihrer Finger ein Prickeln durch seinen Körper. Das und die knappe Stunde, die er mit ihr in der geschlossenen Mietdroschke verbracht hatte, zeigten ihm, wie weise seine Entscheidung war, den Seeweg zu wählen, statt über Land zu reisen.
Ihr Duft hatte bald schon jeden Winkel des warmen Inne-ren der Kutsche erfüllt; das verführerische Spiel der Schatten auf ihren hohen Wangenknochen, ihren sanft geschwungenen Lippen, ihrem zarten Hals hatte ihn wider Willen fasziniert. Er hatte seinen Blick von ihr fort gezwungen, aber seine Fantasie versorgte ihn mit Eindrücken, die er seinen Sinnen versagte, und so stand ihr Bild ständig vor seinem geistigen Auge, rätselhaft und spöttisch.
„Ich bin noch nie an Bord eines Schiffes gewesen.“ Sie sagte das, ohne irgendeine Gefühlsregung zu verraten, aber Thomas meinte wahrzunehmen, wie sie sich verspannte.
„Dieser Segler ist sehr sicher, Lady Fia . . .“
„Sie haben mich jetzt so oft schon Fia genannt, doch nun, da ich auf Ihrem Schiff und völlig Ihrer Gnade ausgeliefert bin, erweisen Sie mir mit einem Mal die Höflichkeit, meinen Titel zu verwenden? Lassen Sie sich von mir zu Ihrer Originalität beglückwünschen.“
Seine Lippen wurden schmal. Er hatte sie nur beruhigen wollen, und sie hatte sogleich die Gelegenheit ergriffen, ihn zurechtzuweisen. Aber, so beharrte ein Teil in ihm, hätte er sich an ihrer Stelle nicht ebenso verhalten? Darauf zu warten, dass sein Gegner eine Schwäche oder Unsicherheit verriet, um dann zuzuschlagen? Ja. In der Tat hatte er dasselbe getan. Bei seinem ersten Herrn. Er trug ein paar Narben auf dem Rücken, die beredt Zeugnis davon ablegten.
Sie ließ seine Hand los und trat leichtfüßig an Deck. Ein Matrose, ein Portugiese wie die meisten anderen Mitglieder der zur Zeit nur notdürftigen Besatzung, kam, um ihr Gepäck zu tragen.
„Kommen Sie, ich zeige Ihnen Ihr Quartier“, erklärte Thomas. Er führte sie über das Deck, ein paar steile Stufen hinab in einen schmalen, kurzen Korridor, der die zwei Hauptkabinen voneinander trennte. Die Mannschaftsunterkünfte befanden sich unter Deck. Mit einer Hand stieß er die nächste Tür auf.
In der spärlich eingerichteten Kabine war eine Koje an der Wand befestigt, ein kleiner Tisch und eine Kommode standen daneben, beides am Boden befestigt. Durch das schmale Fenster fielen ein paar Strahlen Tageslicht. Ihre Reisetasche und ihre Truhe füllten den Rest des freien Platzes aus.
„Zauberhaft“, murmelte sie. Dann wandte sie sich zu Thomas um. „Wie lange werde ich hier bleiben?“
„Ungefähr drei Tage, denke ich. Vielleicht auch vier.“ „Dann kann ich also davon ausgehen, dass wir nicht nach Frankreich reisen?“
„Nein.“
Sie zeigte keine Regung als Antwort auf seine Äußerung, zog den Kopf ein und betrat die Kabine. Dann nahm sie ihren Hut ab und legte ihn sorgfältig auf den Tisch. „Ihre Unterkunft ist gegenüber von dieser hier?“ In der einfachen Frage schwang unterschwellig so großer Zorn mit, dass Thomas spürte, wie ihm das Blut ins Gesicht stieg.
„Ja.“ Zum Teufel mit dem Mädchen!
„Dann schlage ich vor, gehen Sie jetzt dorthin, es sei denn, Ihrer harrt irgendwo anders an Bord eine Aufgabe, die Ihre ungeteilte Aufmerksamkeit als Kapitän erfordert. Ich wünsche Ihnen einen guten Tag.“
Ihre Kaltblütigkeit war unübertroffen. Sie entließ ihn einfach wie einen Dienstboten. Und ließ ihm damit keine andere Wahl, als sich zurückzuziehen. Zu bleiben wäre unverzeihlich.
„Unterlassen Sie bitte jeden Versuch, von Bord zu gehen, Lady Fia. Wir werden innerhalb der nächsten Viertelstunde in See stechen, und meine Mannschaft ist sehr aufmerksam und mir treu ergeben.“
„Was für ein Trost das für Sie sein muss“, erwiderte sie, sich die Mühe sparend, ihn anzuschauen, während sie sich die Handschuhe abstreifte.
Mit einem knappen Nicken ging er.
Wie gewöhnlich herrschte im Hafen reger Verkehr, so dass es den Rest des Tages beanspruchte, die Alba Star sicher und unbeschadet durch das dichte Gedränge großer Segler und Fregatten, Vergnügungsschiffe und Lastkähne ins offene Meer
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