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Fia die Betoerende

Titel: Fia die Betoerende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Connie Brockway
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zu manövrieren. Zu dem Zeitpunkt, als sie London hinter sich gelassen und sich nach Norden in Richtung der Küste von Suffolk gewandt hatten, stand die Sonne tief am Horizont, und ihr glühender Rand schien von Londons unzähligen Kirchtürmen aufgespießt zu werden.
    Fia erschien nicht an Deck, und Thomas blieb kein anderer Schluss übrig, als dass sie schmollte. Diese Erklärung befriedigte ihn jedoch nicht. Das war nicht das Verhalten, was er von ihr erwartet hätte, aber auf der anderen Seite . . . was wusste er eigentlich überhaupt von Fia Merrick?
    Der Gedanke beschäftigte ihn, während er arbeitete. Als junges Mädchen war Fia in ihrer Einsamkeit unnahbar gewesen, doch auch irgendwie Mitleid erregend, und sie verfügte über eine Weisheit, die sie in so jungen Jahren nie hätte besitzen dürfen. Sie war Carrs Schatten, erinnerte sich Thomas. Stets hatte sie das bunte Treiben auf Wanton's Blush mit glitzernden Augen beobachtet, die nichts von dem verrieten, was in ihr vorging.
    Und doch, bei den paar Gelegenheiten, an denen er mit ihr gesprochen hatte, war er von ihrer Schüchternheit überrascht gewesen, von der offensichtlichen Überwindung, die es sie kostete, zu antworten. Es hatte ihn fasziniert - natürlich nur auf eine ganz unbeteiligte und sachliche Art und Weise.
    In den folgenden Jahren hatte er viel von Carr gehört, aber kein einziges Wort über Fia. Als dann wieder in seiner Gegenwart ihr Name fiel, war es ihr Ruf, über den geredet wurde. Ihr Name war mit einem vieldeutigen Lächeln von ältlichen Lebemännern ausgesprochen worden, tauchte in den Wettbüchern der Clubs auf, in denen „Gentlemen“ verkehrten und schließlich und endlich in Verbindung mit Pips beinahe tragisch ausgegangener erster Erfahrung mit einer Dame von Welt. Jetzt fragte sich Thomas zum ersten Mal, warum Fia wohl gerade diesen Weg eingeschlagen hatte.
    Das Hauptsegel schlug im Wind, und Thomas drehte das Steuer nach Backbord, so dass das Schiff wieder auf Kurs lag. Der Besatzung rief er zu, den Klüver zu hissen. Innerhalb weniger Augenblicke blähte sich das kleinere Segel in der steifen Brise, und die Alba Star segelte sanft vor dem Wind.
    „Dinner gibt's in einer Stunde, Captain“, rief ihm der hagere, ältere Mann, der als Stewart arbeitete, auf Portugiesisch zu. Thomas hob beide Hände zum Zeichen, dass er verstanden hatte, und winkte seinen Steuermann zu sich. Er übergab ihm das Ruder und eilte zu Fias Kabine.
    Kein Laut erklang als Antwort auf sein Klopfen. Er versuchte es noch einmal. „Lady Fia?“
    „Gehen Sie weg.“
    Ihre Stimme klang gedämpft.
    „Geht es Ihnen gut?“
    „Vollkommen. Gehen Sie jetzt.“
    „Das werde ich. Aber wenn Sie etwas essen wollen, sollten Sie in einer Stunde zum Dinner kommen.“
    „Gehen Sie!“ Ihre Stimme hob sich zu einem schwachen Protestruf. „Ich will nichts es . . .“
    Himmel! Sie war krank. Dieses verräterische Geräusch hatte er zu oft gehört, um sich zu irren. Er öffnete die Tür. Sie saß auf der Kante der schmalen Koje, nur mit Hemd und Unterrock bekleidet, die Beine gespreizt und ihren Kopf über die Waschschüssel gebeugt, die auf dem Boden zwischen ihren Füßen stand.
    Lange, feuchte Haarsträhnen klebten ihr an Schultern und Hals. Bei seinem Eintreten blickte sie auf, und das Spätnachmittagslicht, das durch das Fenster fiel, schien ihr genau ins Gesicht. Ihre Haut hatte eine schreckliche milchig grüne Farbe, unter ihren Augen lagen dunkle Schatten, und ihr Blick war leer, so groß war ihre Verlegenheit.
    „Gehen Sie weg!“ flehte sie schwach.
    Er drehte sich auf dem Absatz um, riss die Tür zu seiner Kabine auf und zog den Kopf ein, als er sie betrat. Dort nahm er seinen Waschkrug vom Tisch, einen Zinnbecher und ein kleines Handtuch. Damit kehrte er zu Fia zurück. Sie hatte sich nicht bewegt, sondern hing nur tiefer über der Schüssel. Er goss etwas Wasser in den Becher und reichte ihn ihr.
    „Da. Trinken Sie das.“
    „Oh Gott.“
    „Trinken Sie“, befahl er. Sie warf ihm durch ihre wirren Haare hindurch einen finsteren Blick zu.
    „Ich . . . ich kann nicht... oh ... oh nein.“ Sie warf sich nach vorne und begann zu würgen. Es war nur ein schwaches Würgen. Erbärmlich und Mitleid erregend. Elend.
    Thomas setzte sich neben sie, legte ihr seinen Arm um die Schultern. Ihre Haut war feucht und kalt, der dünne Stoff ihres Unterhemdes schweißdurchtränkt. Er legte ihr zwei Finger unters Kinn und zwang sie mit sanftem Druck, sich zu ihm

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