Fia die Betoerende
wurden hoch gezogen. „Aber du musst dir doch erst noch ansehen, wie weit. .
„Das wird warten müssen“, fiel Thomas ihm ins Wort.
Der Hüne widersprach ihm nicht. Er schien die Autorität des jüngeren Mannes anzuerkennen und respektierte seine Entscheidung ohne Widerworte. Jamie sammelte das Gepäck ein, das die Seeleute in den Sand hatten fallen lassen, und lud die Sachen hinten in den Karren, während Thomas anscheinend vergessen hatte, dass er sie noch auf dem Arm trug, obwohl er sie längst hätte absetzen können.
Das verletzte ihren Stolz. Männer, die Fia Merrick auf dem Arm tragen durften, vergaßen das nie.
„Ich kann stehen.“
„Der Sand ist viel zu weich und nass, und Ihre Schuhe haben nur ganz dünne Sohlen. Dazu kommt noch, dass Sie so schwach sind wie ein neugeborenes Kätzchen.“
„Ich versichere Ihnen . . .“ sie warf ihm unter dem dichten Kranz ihrer Wimpern einen nachdenklichen Blick zu, „ich verfüge noch über genug Kraft für was auch immer Sie . . . verlangen.“
„Lassen Sie das doch“, sagte er in dem Tonfall eines Erwachsenen, der ein unangemessen vorwitziges Kind zurechtweist.
Sie blinzelte verwundert.
Er trug sie weiter zum Wagen, setzte sie ohne große Um-
stände auf die schmale Sitzbank, bevor er dicht neben ihr Platz nahm. „Jamie?“
Der rothaarige Koloss schüttelte den Kopf. „Nay. Ich muss hier noch was erledigen. Ich sehe dich dann morgen.“ Damit versetzte er dem zottigen Pferd, das vor den Wagen gespannt war, einen kräftigen Klaps auf das Hinterteil und trat zurück. Die Hand zum Abschiedsgruß gehoben, stand er da und schaute ihnen mit einem seltsamen Gesichtsausdruck hinterher.
Thomas lenkte das stämmige Tier einen gewundenen Pfad hinauf. Oben angekommen, wandten sie sich landeinwärts. Fia verrenkte sich beinahe den Kopf, aber so sehr sie sich auch mühte, es war ihr unmöglich, mit ihren Augen die dichte Nebelwand zu durchdringen, die sich wenige Fuß hinter ihnen schloss. Wenn McClairen's Isle dort draußen irgendwo war, dann war das Eiland vor ihren Blicken verborgen. Schon bald bewiesen nur noch der Salzgeruch in der Luft und das gedämpfte Tosen der Brandung, dass sie sich in der Nähe des Meeres befanden, und mit jedem Augenblick, der verstrich, wurde beides schwächer.
Weiter von der Küste entfernt auf dem Festland lichtete sich der Nebel, auch wenn der Himmel über ihnen noch grau und wolkenschwer war. Fia atmete die klare, feuchte Luft in tiefen Zügen ein. Sie drehte ihren Kopf hin und her; der Anblick der Landschaft und die Geräusche waren ihr zugleich wohl vertraut und doch überraschend neu für sie, beinahe wie die Lieblingsspieldose eines Kindes, die verloren gegangen war und dann nach langer Zeit, als das Kind längst erwachsen war, wiedergefunden wurde.
Süß und schmerzhaft zugleich barg jede Windung des Weges die Möglichkeit neuer Erinnerungen in sich. Unweit dieser Stelle hier hatte sie zufällig ihren Bruder Raine und seine Favor bei einem geheimen Stelldichein ertappt, zu dem sie sich von einem vor Jahren stattgefundenen Picknick davongestohlen hatten. Favors Wangen waren vor Verlegenheit schamrot gewesen, während Raine sich schützend vor sie gestellt hatte.
In dem kleinen Wäldchen da hinten hatte sie vor zehn Jahren ein winziges Kaninchen in der Schlinge eines Wilderers gefunden. Sie hatte gewusst, wenn sie das Kaninchen befreite, war es gut möglich, dass irgendeine arme, schotti-sche Familie ohne Abendbrot zu Bett gehen musste, aber das Tierchen war so klein gewesen und sein Wimmern so Mitleid erregend. Gunna hatte ihr geholfen, es gesund zu pflegen. Dann hatte sie es wieder frei gelassen . . . dort drüben!
Zu rasch jedoch schwanden die vertraute Landschaft und die Erinnerungen, als die Landstraße, auf der sie dahinrumpelten, aus der Gegend führte, in die sie sich als Kind von McClairen's Isle aus vorgewagt hatte. Sie befanden sich nun in einem Landstrich, in dem es gefährlich für einen werden konnte, mit Carr verwandt zu sein, ganz besonders wenn man seine „Lieblingstochter“ war.
Doch das Unbekannte besaß seinen eigenen Zauber, und Fia studierte die sich verändernde Landschaft voller Interesse, so von dem sich ihren Augen bietenden Anblick gefangen genommen, dass sie beschloss, ihren nächsten Schritt bei der Verführung des Thomas Donne aufzuschieben. Außerdem war sie zum ersten Mal in sehr, sehr langer Zeit unsicher, wie genau ihr nächster Schritt aussehen würde. Ihn zu berühren hatte ihn
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