Fiasko
rekonstruierten Ablauf zu prüfen, hielt Angus die Geigerzähler an den Rücken des Wracks. Sie begannen sofort heftig zu ticken. Es handelte sich um einen schnellen Reaktor, er war von der eigenen Hitze geschmolzen und wohl bereits erkaltet, aber der Außenpanzer war sowohl heiß als auch radioaktiv. Der Maschinist hatte sein Vehikel also durch das zertrümmerte Fenster verlassen, das unnütze Werkzeug weggeworfen und sich zu Fuß auf den Weg durch den Wald gemacht. Angus forschte in dem ausgelaufenen Öl nach Fußspuren, da er jedoch nichts fand, umkreiste er den metallenen Leichnam und suchte die Wände der Glitzerhöhle nach Öffnungen ab, die groß genug waren, einen Menschen durchzulassen. Auch das gab es nirgends. Angus vermochte nicht zu überschlagen, wieviel Zeit seit der Katastrophe vergangen sein konnte. Zwei Männer waren vor drei Tagen in diesem Wald verschwunden, Pirx zwanzig bis dreißig Stunden später.
Der Zeitunterschied war zu gering, als daß er einen Anhaltspunkt geboten hätte, ob das Wrack einem der Leute vom Gral oder aber Pirx gehörte. Ganz in Eisen, aber lebendig stand er vor dem Schrotthaufen und wog eiskalt ab, was er tun sollte. In irgendeinem Winkel dieser von der Hitze ausgehöhlten Blase mußte ein Loch sein, das dem Maschinisten einen Durchschlupf geboten und sich hinter ihm geschlossen hatte. Die porzellanene Narbe mußte noch ziemlich dünn sein, aber vom Diglator aus würde er sie nicht erkennen. Er stellte den Riesen still, stieg hastig in seinen Raumanzug, rannte die hallenden Stufen zum Ausstieg hinunter, ließ sich die Leiter hinab und sprang auf den gläsernen Boden. Die in die Bruchhalde geschmolzene Höhle kam ihm sogleich viel größer vor, oder vielmehr er war plötzlich sehr klein geworden. Er ging einmal ringsherum — fast sechshundert Schritt. Durchsichtigere Stellen nahm er in Augenschein und klopfte sie ab, es waren leider sehr viele, und als er den aus dem Führerstand mitgebrachten Hammer ansetzte, um eine Nische zwischen zwei wahrhaft eichenstarken Pfeilern zu hacken, splitterte sie zwar wie Glas, aber zugleich kam vom Gewölbe über ihm Geröll herunter, in immer größeren Mengen, bis etwas knirschte und eine Hagelwolke leichter Splitter und gläsernen Staubs auf Angus niederging. Er sah ein, daß es keinen Sinn hatte. Die Spur des anderen würde er nicht finden, und er selbst steckte nicht gerade in der schönsten Falle. Die Bresche, durch die er in die Höhlung eingedrungen war, verschloß sich bereits mit weißen Zapfen, die fest wurden wie Salzsäulen, anders allerdings als auf der Erde, denn hier verzweigten sie sich zu einem armstarken Geflecht. Nichts zu machen, es blieb nicht einmal Zeit zu kühler Überlegung: Das Gewölbe setzte sich allmählich und berührte fast schon die Haube des Strahlers auf den Schultern des Großschreiters, so daß dieser aussah wie ein Atlas, der die ganze Last der erstarrten Geiserstrahlen trug.
Angus wußte nicht, wie er wieder in die Kabine gekommen war, die bereits schräg stand, weil der Rumpf sich Millimeter um Millimeter neigte. Er zog die elektronische Bekleidung über und prüfte einen Augenblick lang den Gedanken, den Strahler einzuschalten, verwarf ihn jedoch — hier lag in jeder Maßnahme ein unvorhersehbares Risiko. Die Decke über ihm konnte durch das Abtauen weichen, aber ebensogut einstürzen. Nach einigen Schritten fand er direkt neben dem schwarzen Wrack eine Stelle, von der aus er Anlauf nehmen und mit aller Kraft die verwachsene Bresche rammen konnte, nicht um feige zu fliehen, sondern um aus der gläsernen Gruft herauszukommen. Danach würde er weitersehen.
Im Maschinenraum heulten die Turbinen, unter dem Aufprall der beiden stählernen Fäuste zeigten sich in der weißen, von den Tropfsteinen höckrigen Wand Risse, die in schwärzlichen Bahnen sternenförmig nach oben und zur Seite liefen, und gleichzeitig gab es von überallher einen donnernden Schlag.
Alles ging so schnell, daß er keine Zeit hatte, es zu begreifen. Er spürte von hoch oben einen Schlag, so gewaltig, daß sein Gigant in ein tiefes Geheul ausbrach, taumelte, durch die geborstene Bresche gefegt wurde wie ein Stück Papier und unter einer Lawine von Geröll, großen Brocken, Scherben und Staub so jäh zu Boden schlug, daß sich Parvis trotz aller Amortisatoren der Aufhängung die Eingeweide umdrehten. Die letzte Phase des Sturzes war dabei unglaublich langsam:
Die Trümmer auf dem Weg, den er gekommen
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