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Fiasko

Fiasko

Titel: Fiasko Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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tätowiert. Die Vorräte gingen zu Ende, obwohl sie erst den sechsten Tag unterwegs waren. Sie aßen den Rest des strohtrockenen Pökelfleisches und löschten ihren Durst an einer Quelle, die unterhalb des Abgehauenen Kopfes entspringt. Allerdings konnten sie sich nicht zurechtfinden, denn die tätowierte Karte war ungenau. Vor Sonnenuntergang stieg der Nebel auf wie das Meer bei Flut. Die beiden machten sich auf den Weg und stiegen den Rücken des Schwarzen Pferdes hinan, sie gingen so schnell, daß ihnen das Blut m den Ohren dröhnte und sie nach Luft schnappten wie verendende Tiere — der Nebel jedoch war schneller und holte sie genau auf dem Hals des Pferdes ein. An der Stelle, wo das weiße Leichentuch sie einhüllte, ist der Grat sehr schmal, nicht breiter als das Heft einer Machete. Da sie nicht weiterkonnten, setzten sie sich — genau wie auf ein Pferd! — rittlings auf den Grat und bewegten sich, in ein undurchsichtiges, feuchtes Weiß gehüllt, bis zum Einbruch der Dunkelheit rutschend vorwärts.
       Als sie völlig entkräftet waren, endete der Grat. Sie wußten nicht, ob vor ihnen ein Abgrund oder bereits der Abstieg ins Tal der Sieben Roten Seen lag, von dem der alte Indianer gesprochen hatte. Sie blieben also die ganze Nacht sitzen, Rücken an Rücken, sich aneinander wärmend und dem Nachtwind trotzend, der um den Grat wimmerte wie ein Messer auf dem Schleifstein. Das Einschlafen barg die Gefahr des Abstürzens, und daher machten sie sieben Stunden lang kein Auge zu.
       Dann ging die Sonne auf und brach durch den Nebel. Sie sahen, daß der Felsen unter ihren Füßen so senkrecht abfiel, als säßen sie auf einer schmalen Mauerkrone. Vor ihnen lag eine Kluft von acht Fuß. Der Nebel am Hals des Pferdes riß in Fetzen und gab den Blick frei auf das ferne schwarze Haupt des Mazumac, auf emporschießende rote Rauchsäulen, zwischen denen weiße Wolken hingen. Die beiden rissen sich beim Abstieg in der engen Kluft die Hände blutig, erreichten aber schließlich den oberen Kessel des Tals der Sieben Roten Seen. Hier verließen Guilielmo jedoch endgültig die Kräfte. Don Esteban betrat als erster das über dem Abgrund hängende Felsband und führte den Gefährten bei der Hand. So schritten sie vorwärts, bis sie an eine Geröllhalde kamen, wo sie rasten konnten. Die Sonne stand schon hoch, als das Haupt des Mazumac Felsbrocken zu speien begann, die von den Überhängen abplatzten. Die beiden flohen nach unten.
       Als der Kopf des Pferdes nur noch klein wie eine Kinderfaust über ihnen hing, erblickten sie in einer Wolke rostfarbenen Schaums die erste Rote Quelle. Don Esteban zog unter der Achsel ein Bündel Riemen hervor, die in der Farbe des Akanthus gegerbt waren. Die rot bemalten Fransen waren zu zahlreichen Knoten geknüpft. Lange ließ er sie durch die Finger gleiten, um die indianische Schrift zu entziffern und schließlich den rechten Weg abzulesen. Das Tal des Schweigens öffnete sich vor ihnen. Auf seinem Grund gingen sie über riesige Felsblöcke, zwischen denen bodenlose Schrunde gähnten. „Ist es noch weit?“ fragte Guilielmo.
       Er tat es flüsternd, weil er keinen Ton aus der vertrockneten Kehle brachte. Don Esteban winkte ihm, zu schweigen. Plötzlich stolperte Guilielmo und stieß an einen Stein, der andere nach sich zog. Als Echo auf dieses Geräusch brach es wie Rauch aus den senkrechten Wänden, sie verschwanden in einer silbrigen Wolke, und Tausende steinerner Keulen brachen zu Tal. Don Esteban, der gerade unter einem gewölbten Überhang entlangschritt, konnte seinen Freund eben noch in diese Deckung zerren, als die alles zermalmende Lawine sie einholte und wie ein Unwetter vorüberschoß. Nach einer Minute trat Stille ein. Don Guilielmo blutete durch einen Felssplitter am Kopf. Sein Gefährte zog das Hemd aus, riß es in Streifen und verband ihm die Stirn. Endlich, als das Tal so eng geworden war, daß der Himmel über ihnen nicht breiter als ein Fluß erschien, erblickten sie einen Bach, der ohne das geringste Rauschen über die Felsen floß. Sein Wasser, das klar war wie ein feingeschliffener Diamant, verlor sich in einem unterirdischen Bett.
       Die reißende, eisige Strömung, in die sie hinein mußten und die ihnen bis über die Knie reichte, zerrte mit furchtbarer Gewalt an ihren Beinen, bog aber bald seitwärts ab. Die beiden standen auf trocknem gelbem Sand vor einer vielfenstrigen Grotte.
       Don Guilielmo beugte sich erschöpft nieder, dabei fiel

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