Fida (German Edition)
von ihnen anzunehmen und auf gar keinen Fall mit ihnen zu gehen. Selbst ohne diese Warnungen wäre Laura nicht eingestiegen. Instinktiv traute sie dem Braten nicht.
„Ist nicht mehr weit. Ich bin gleich daheim.“, log sie rasch.
Das stimmte so nicht ganz. Genaugenommen hatte sie noch nicht mal ein Drittel des Weges zurückgelegt, aber zu diesem Typen ins Auto steigen würde sie auf gar keinen Fall! Langsam kroch ein dumpfes Angstgefühl in ihr hoch. Sie beschleunigte ihre Schritte noch ein wenig, während er weiter neben ihr her rollte.
„Aber vielleicht wäre es doch besser, wenn ich dich das restliche Stück fahre. Man weiß nie, wer sich sonst noch auf der Straße…“
Weiter kam er nicht, denn Laura fiel ihm ins Wort. Mit mehr Schneid in der Stimme als sie sich selbst zugetraut hätte schmetterte sie ihm entgegen:
„Sind sie so ein Scheiß-Perverser, der kleine Kinder auf der Straße aufsammelt und in den Wald verschleppt? Sie haben mich schon in der Bücherei so komisch angegafft. Lassen sie mich bloß in Ruhe!“
Sie rückte soweit vom Fahrzeug weg, wie es der schmale Bürgersteig zuließ. Trotz ihres aggressiven Tonfalls bekam sie immer mehr Schiss. Der Kerl ließ nicht locker.
„Nein, ich wollte wirklich nur sicherstellen, dass du gut nach Hause kommst. Schon in der Bücherei wollte ich dich darauf aufmerksam machen, dass…“ Abermals ließ sie ihn nicht ausreden.
„Verpissen sie sich!“, schrie Laura, wütend und ängstlich zugleich, bevor sie die Beine in die Hand nahm und losrannte. „Lassen Sie mich endlich in Ruhe!“
Auch das Auto neben ihr beschleunigte.
Kapitel 5
9. März 2012
Am 9. März saß Polizeihauptmeister Likar an seinem Schreibtisch und grübelte über den Fall nach.
„Die meisten Ausreißer tauchen ganz schnell von alleine wieder auf!“, hatte er die Frau beschwichtigt, als sie in ihrer ersten Besorgnis bei seiner Dienststelle anrief. Tatjana Wenz war nicht die erste Mutter die Polizeihauptmeister Likar in seiner Laufbahn beruhigen musste, weil der geliebte Sprössling nicht rechtzeitig zum Abendessen erschienen war. Laut Frau Wenz hätte ihre dreizehnjährige Tochter Laura schon vor Stunden zu Hause sein sollen. Die besorgte Mutter hatte bereits bei allen Freundinnen ihres Kindes angerufen und nachgefragt, ob Laura bei ihnen war, oder ob sie wussten, wo sie vielleicht sein könnte. Von einem Mädchen namens Kerstin erfuhr sie von einem Streit, den es am Nachmittag gegeben hatte, dass Laura danach weggerannt war und sich später noch mal per SMS bei der Freundin gemeldet hatte. Doch wo sie jetzt war, das wusste Kerstin auch nicht. Natürlich hatte Frau Wenz es zuvor auch auf dem Handy ihrer Tochter probiert, doch nach mehrmaligem Klingeln wurde das Gespräch einfach weggedrückt. Danach ging nur noch die Mailbox ran. Das alles erzählte Frau Wenz hektisch, vollkommen außer sich vor Sorge. Der Beamte hatte natürlich Verständnis für ihre Besorgnis, doch aus langjähriger Berufserfahrung wusste er, dass diese Fälle sich meist schon nach wenigen Stunden von selbst lösten, weil der trotzige Teenager Hunger bekam und schnell wieder auf der elterlichen Matte stand.
„Nun beruhigen Sie sich erst Mal!“, unterbrach Likar ihren Redefluss. „Ich bin mir sicher, Sie machen sich ganz umsonst solche Sorgen. Oder würde Ihnen ein Grund einfallen, weshalb ihre Tochter weglaufen sollte? Hatten Sie auch zu Hause Streit mit ihr?“
Ein Moment des Schweigens in der Leitung, verriet ihm, dass er mit dieser Vermutung wohl nicht Unrecht hatte. Und schon folgte die hörbare Bestätigung: „Ja, vor ein paar Tagen hatten wir eine Auseinandersetzung. Aber die war eigentlich völlig belanglos. Deshalb würde Laura nicht…“
„Frau Wenz“, fiel der Polizeihauptmeister ihr abermals ins Wort. „Sie sagten, ihre Tochter wäre dreizehn. Das ist das klassische Alter für solche pubertären Eskapaden. Selbst ein harmloser Streit kann bei Teenagern zu unglaublich bockigen Reaktionen führen. Ich bin mir sicher…“
„Wie, verdammt nochmal, können Sie sich mit irgendwas sicher sein? Sie kennen meine Tochter doch gar nicht! Laura muss etwas passiert sein! Ich möchte, dass Sie jetzt sofort ihren faulen Arsch bewegen und gefälligst…“
„Nun mal sachte, Frau Wenz!“, riss der Beamte das Gespräch wieder an sich. „Ich verstehe ihre Aufregung, aber Sie müssen sich nun beruhigen und vernünftig bleiben. So kommen wir doch nicht weiter. Wie viele Stunden ist ihre Tochter
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