Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fida (German Edition)

Fida (German Edition)

Titel: Fida (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Maucher
Vom Netzwerk:
Wo ist ihr Kind?
    Anfangs hatte sie nicht glauben können, dass Laura einfach weggelaufen war. So etwas würde sie nicht tun, es gab gar keinen Grund dafür. Ihr musste etwas passiert sein. Tatjana hatte den Beamten beschimpft, mit dem sie zuerst sprach. Fast hätte sie ihn einen Idioten genannt, der ihr gefälligst glauben und handeln sollte. Ein Funkspruch an die Kollegen erschien ihr viel zu wenig, ein Suchtrupp am nächsten Tag viel zu spät. Warum setzte man nicht sofort alle zur Verfügung stehenden Mittel ein?
    Inzwischen jedoch klammert sie sich an die Hoffnung, das Kind wäre weggelaufen, die einhergeht mit bitteren Selbstvorwürfen. Vielleicht hätten sie manchmal etwas weniger streng sein sollen. Ihr gestatten, ein wenig Make-Up aufzulegen, oder ihr den kurzen Rock kaufen, der ihr so gefiel. Der, zu dem sie mütterlich-streng „Nein“ gesagt hatte, weil sie genau wusste, wie Lauras Vater reagiert hätte. Es war ihm schwer gefallen, sich an den Gedanken zu gewöhnen, dass sein kleines Mädchen langsam erwachsen wurde.
    Aber sich an den Gedanken gewöhnen, dass sie tot ist, das kann er , denkt sie wütend und anklagend, der Versuchung erliegend, bei Jochen die Schuld zu suchen. Andere Konflikte hatte es in letzter Zeit nicht gegeben. Nichts, was erklärt hätte, weshalb Laura weglief und sie in Angst und Sorge zurückließ, ohne zumindest einen erklärenden Brief zu hinterlassen oder zwischendurch ein Lebenszeichen zu senden. Ein Teil von ihr weiß, wie absurd es ist zu glauben, dass diese harmlosen Reibereien wirklich der Grund waren.
    Manchmal ertappt sie sich sogar dabei, wie sie Jochen argwöhnisch beäugt. Wollte er sie gar nicht nur beschützen und ihre Kindlichkeit noch ein wenig länger erhalten? Steckte etwas anderes dahinter, dass er die Jungen von seiner Tochter fernhalten wollte? In all den gemeinsamen Jahren war ihr ein solcher Gedanke niemals gekommen. Doch war Jochen nicht auch nur ein Mann? Die Leidenschaft in ihrer Ehe war mit den Jahren erloschen; ersetzt durch eine innige Vertrautheit, die sie nicht mehr spürt, seit das Leben, das sie beide verband, aus diesem Haus verschwand. Als sexuell ausschweifend kann man ihre Beziehung wahrlich nicht definieren. Auch bevor das Kind wegging, hatten sie lange nicht mehr miteinander… Laura war – nein ist! - so ein hübsches Mädchen. Ist! Unzweifelhaft am Erblühen, am Reifen… Hatte Jochen etwas getan, was er nie hätte tun dürfen?
    Schon im nächsten Moment fühlt sie sich schuldig, weil sie so etwas überhaupt denkt. Ihr Gehirn scheut sich, den Gedanken in aller Deutlichkeit auszuformulieren, aber er ist dennoch da. Wie kann sie nur? Steht ihr Jochen nicht seit fast zwei Jahrzehnten treu zur Seite? Zuverlässig, loyal – ein anständiger Mann, der immer gut für seine Familie gesorgt hatte!
    Die Polizei kam ebenfalls auf solche Gedanken. Lauras Elternhaus wurde durchsucht, ebenso wie die Garage und der Schuppen im Garten. Dabei hatte man sie nicht unfreundlich behandelt. „Natürlich stehen sie nicht unter Verdacht. Wir müssen einfach alle Möglichkeiten ausschließen. Natürlich verstehen wir, dass ihnen das unangenehm ist, ein Einbruch in ihre Privatsphäre, doch wir müssen uns im Haus umsehen. Sie gestatten doch? Oder brauchen wir einen Durchsuchungsbefehl?“
    Niemals wird sie das Gefühl vergessen, zu Unrecht verdächtigt zu werden. Trotz aller Freundlichkeit, gab man ihnen dieses Gefühl. Als trügen sie die Schuld daran, dass Laura nicht mehr da war. Man hatte mitleidig und respektvoll beteuert, die Durchsuchung ihres Hauses wäre ganz normal, ließe sich nicht vermeiden, doch Jochen und Tatjana hatten sich trotzdem gefühlt, als würde man sie verdächtigen, ihrem geliebten Kind etwas angetan zu haben. Akribisch krempelten die Beamten ihr Haus um, stellten es auf den Kopf und hinterließen nichts als Chaos. Dabei kamen sie doch fast um vor Sorge um Laura.
    Nicht nur Tatjana, auch Jochen hat sich im letzten Jahr sehr verändert. Tiefe Sorgenfalten gruben sich in sein Gesicht ein und er wirkte müde, ausgezehrt, selbst an den Wochenenden, wenn er lange geschlafen hatte. Der Mann, der sie früher immer zum Lachen bringen konnte, hatte nun etwas Trauriges, wie ein unkomischer Clown, der am täglichen Gang in die Manege zu Grunde geht und sich dennoch seiner Pflicht bewusst ist, die fliegende Torte mit dem Gesicht zu fangen. Wann hatten sie zuletzt so richtig miteinander gelacht?
    Ihr ist bewusst, dass sie eigentlich nur noch

Weitere Kostenlose Bücher