Fida (German Edition)
könnten. Sie findet keine, dafür aber ein Päckchen Grillanzünder und Spiritus, bei den Grillsachen für den Sommer.
„Das tut’s genauso!“, beschließt sie, lautstark vor sich hin schimpfend. Zornig schleppt sie Jochens Hemden, seine Anzüge und Krawatten, ebenso nach unten ins Wohnzimmer, wie seine Freizeitkleidung und Unterwäsche. Bald lodert ein Feuer im Kamin, doch das Gefühl von Behaglichkeit will sich dadurch nicht einstellen. Tatjana setzt sich davor und starrt in die Flammen. Es tut weh, dass er sie betrogen hat. In all den Jahren hatte sie ihm stets vertraut, wäre gar nicht auf den Gedanken gekommen, er könnte sich eine Andere suchen. Ihr fallen die vielen Abende ein, in denen er, gerade in den letzten Wochen, erst spät von der Arbeit kam. Der Lippenstift auf seinem Hemdkragen, den sie nach der betrieblichen Weihnachtsfeier im letzten Jahr daran entdeckte. „Mach dich nicht verrückt!“, hatte er zu ihr gesagt, als sie ihn darauf ansprach. „Die Sekretärin vom Boss war völlig betrunken und fiel mir unter einem Mistelzweig um den Hals. Ich hatte Mühe, sie wieder abzuschütteln. Dabei blieb wohl was an meinem Hemd hängen. Das hat überhaupt nichts zu bedeuten! Du weißt doch, wie solche Feiern sind!“
Die erste Ladung seiner Kleider ist schon fast verbrannt. Sie öffnet das Glasfenster des Kamins erneut, um weiteren Zündstoff hinterher zu werfen, schließt es dann schnell wieder, wegen dem Gestank der verbrennenden Baumwoll- und Polyesterfasern. Sieht wieder zu, wie sie zu Schutt und Asche verbrennen.
„ Geht das Verhältnis vielleicht schon so lange? War der Lippenstift von der Neuen? “, fragt sie sich jetzt. „ Betrügt er mich schon seit Monaten und ich war zu blind und blöd, um es zu sehen? “
Tatjana weiß nicht, auf wen sie mehr wütend sein soll. Auf Jochen, oder auf sich selbst, weil sie so naiv und dumm war, ihm alles zu glauben, was er ihr an Ausreden auftischte. Erst rückblickend wird sie misstrauisch und realisiert, dass er sie wohl mehr als einmal belogen hatte, um seine eigentlichen Aktivitäten zu decken. Die Abendessen mit Kunden auf seiner Kreditkartenabrechnung erschienen ihr nun ebenso fragwürdig, wie jede Verspätung, die er auf starken Verkehr bei der Heimfahrt oder gemachte Überstunden schob. Das Vertrauen, das sie zuvor zu Jochen hatte, ist stark erschüttert. Nun stellt sie einfach alles in Frage, was ihr zuvor normal und selbstverständlich erschien.
Während das Feuer ihre Wangen erhitzt, kühlt ihre langsam Wut ab. An ihre Stelle treten der Schmerz und die Enttäuschung über den Verrat. Nachdem sie den Kamin mehrfach neu befeuert hat, fällt ihr siedend heiß das zerstörte Telefon wieder ein und der Anruf von Likar, auf den sie so nervös gewartet hatte.
„Oh shit!“, stöhnt sie auf. „Der hat es bestimmt schon tausend Mal bei mir probiert!“ Sie richtet sich umständlich auf. Ihre Gelenke sind ganz eingerostet, durch die lange, ungewohnte Sitzhaltung, Tatjana eilt in ihr Büro zurück, sammelt die Teile des zerstörten Apparats auf und mustert sie. Da gibt es nichts zu retten. Das Ding ist Schrott, reif für die Mülltonne.
„ Genauso am Arsch, wie meine Ehe und der Rest meines Lebens! “, ist ihr frustrierter Gedanke dazu. Sie sucht ihr Handy, das sie nur selten benutzt, findet es in ihrer Handtasche und ruft damit noch mal bei der Polizeiwache an. Likar, teilt man ihr mit, hat bereits Feierabend gemacht. Morgen wäre er wieder zu erreichen. Tatjana unterdrückt einen Fluch, bedankt sich gezwungen freundlich und legt wieder auf. Hilflosigkeit herrscht nun in ihr vor und treibt ihr die Tränen in die Augen.
„ Was soll ich jetzt nur machen? Verdammt! Was mache ich nur? “, fragt sie sich immer wieder. Ihre Hilflosigkeit erstreckt sich auf all ihre Probleme: Auf Jochen, auf den Verdächtigen, der morgen bestimmt nicht mehr da ist und der Polizei durch die Lappen geht, und auch ganz simpel auf die Frage, was sie nun wirklich tun soll. Jochen noch mal anrufen? Ihn suchen? Doch alleine losgehen, den verdächtigen Mann suchen? Oder einfach noch einen Scheit Holz nachwerfen, in die Flammen starren und nichts tun, außer vielleicht eine Flasche Wein zu öffnen und zu versuchen, ihren Kummer und ihre Fragen darin zu ersäufen? Es ist noch früh am Tag, gerade mal 14h, wie ihr ein flüchtiger Blick auf die Uhr verrät, keine Zeit, zu der sie normalerweise etwas alkoholisches Trinken würde. Doch im Augenblick erscheint ihr alles sinnlos und
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