Fida (German Edition)
dieses gebrochenen, unterwürfigen Wesens, das vor ihm kauert. Fida ist klapperdürr. Blaue Flecken in allen Schattierungen, von frisch bis fast schon abgeheilt, sind Zeugnisse ihrer letzten Begegnungen. Die Angst vor der heutigen steht ihr deutlich ins Gesicht geschrieben. Erbarmungswürdig und bemitleidenswert wären die wohl zutreffendsten Beschreibungen. Tom aber ist Mitleid fremd. Ein schlechtes Gewissen, das ihn nachts wachhalten würde, hat er wegen dem, was er ihr antut, nicht. Im Gegenteil, er findet, in den letzten Monaten hat sie große Fortschritte gemacht. Sie ist gelehrig und darauf bedacht, es ihm stets Recht zu machen. Nähert sich dem, was er als perfekte Frau definieren würde. Wenn da nicht noch dieser Rest Aufmüpfigkeit wäre, von dem ihr Fluchtversuch zeugt. Rausgekommen wäre sie so ohnehin nicht. Aber vielleicht hätte das kleine Miststück genug von der Dämmung entfernen können, um Hilfe von außen zu rufen. Diesen Rest Ungehorsam, da ist er sich ganz sicher, wird er ihr auch noch austreiben. Vielleicht nicht heute und auch noch nicht morgen, aber irgendwann wird er sie so vollständig kontrollieren, dass sie nicht mal mehr fliehen würde, selbst wenn sie es könnte. Tom überlegt, wie er sie noch gefügiger machen könnte. Wenn so ein Vieh nicht laufend Gassi gehen müsste und nicht solchen Dreck machen würde, dann könnte er ihr ein kleines Hündchen schenken, welches sie liebhaben und er bestrafen würde, sollte sie ungehorsam sein. Emotionale Druckmittel mag er irgendwie am liebsten.
Die Gefahr, dass sie ihn in einem unachtsamen Moment angreifen könnte, hat er effektiv gebannt. Fida weiß, dass er den Schlüssel für ihre Fußfessel nie mit in den Keller bringt. Er lässt ihn stets oben in der Generatorkammer hängen, zur Sicherheit. Deshalb würde sie ihm nichts tun, selbst wenn sie könnte. Sie würde dort unten festsitzen und über kurz oder lang vermutlich verhungern. Darüber hinaus glaubt das blöde Stück tatsächlich, dass man die Hütte einfach einebnen würde, falls ihm etwas zustößt. Tom hat ihr erzählt, dass er einen guten Freund hat, der Abbruchunternehmer ist und dass der das Haus erben und abreißen würde, ohne es auch nur einmal zu betreten. Den freiwerdenden Bauplatz könnte er anschließend verscherbeln. Das hätte Tom testamentarisch so verfügt und sein Freund hätte versprochen, sich im Fall von Toms Ableben genau an diesen Plan zu halten. Tom weiß nicht mal, ob man so etwas wirklich verfügen kann, aber ihr Glaube bestätigt einmal mehr: Unten im Keller ist er Gott!
War es anfangs nur sein Traum, sie für sich allein zu besitzen, um tun zu können, wonach ihm der Sinn steht, so malt er sich inzwischen aus, dass sie ein so folgsames, braves Haustierchen wird, dass er sie eines Tages sogar mitnehmen kann. Sie könnten ein normales Leben führen, in einer anderen Stadt vielleicht und gemeinsam in einem vernünftigen Haus wohnen. Es wäre so viel besser, wenn sie sich nicht immer in dieser Dreckbude verstecken müssten. Doch so weit, das hat er ja erst wieder gesehen, sind sie noch lange nicht. Dazu müsste man sich ein bisschen mehr auf Fida verlassen können. Darauf, dass sie nicht abhauen würde.
„Genug!“ Mit diesem knappen Befehl hält er sie davon ab, seine Stiefel weiter zu lecken. Er schließt die Handschellen auf. „Zeit für eine weitere Lektion!“
Kapitel 26
18. April 2013
Tatjana steht in dem dunklen, fremden Raum, welchen der Spalt mit dem Flur verbindet. Der Erstbeste, in den sie sich zurückziehen konnte. Gerade noch rechtzeitig, als das verräterische Türquietschen erklang.
Die Situation erscheint ihr surreal, beängstigend und absurd zugleich. Was tut sie hier, in einem fremden Haus, kurz davor, bei einem Einbruch ertappt zu werden? Sie fühlt sich weniger wie sie selbst, mehr wie eine Figur in einem Horror-Film, der man am liebsten zurufen möchte: „Was stehst du da noch blöd rum! Lauf endlich!“ Wer ist diese Fremde, die hier im Dunkeln steht und vor Anspannung kaum wagt zu atmen? Fast erwartet sie aufzuwachen, aus einem viel zu real erscheinenden Alptraum. Nach einem Ausweg suchend, gehetzt, gleitet ihr Blick durchs Zimmer, doch sie findet keinen. Die Fenster sind vernagelt, die einzige Tür führt zurück in den Flur. Fieberhaft denkt sie nach, sucht nach einem Weg, der unbeschadet aus dieser Situation herausführt. Weil sie keinen findet kocht Panik in ihr hoch. Glücklicherweise wird sie von ihrem Angstgefühl
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