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Fida (German Edition)

Fida (German Edition)

Titel: Fida (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Maucher
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bei der kleinsten Bewegung nicht besonders laut, aber gequält quietscht, als wäre sie ein leidendes Wesen in größter Not. Das Geräusch geht ihr durch Mark und Bein, pumpt neues Adrenalin durch ihre Adern. Tatjana bleibt wie angewurzelt stehen. Sie realisiert, dass sie die Bewegung der Tür zwar sofort stoppte, aber der Schrei nicht verklingt. Nur ein Teil des Lauts wurde tatsächlich von ihr verursacht. Noch immer hallt er peinvoll durch den Raum, leise nur, aber trotzdem schrill und nervenaufreibend.
    Tatjana stehen die Haare zu Berge, eine Gänsehaut, hervorgerufen von purem Entsetzen überzieht ihren gesamten Körper. Der Schrei ist grauenerregend, das Furchtbarste, was sie je gehört hat. Am allerschlimmsten ist: Er kommt eindeutig von einem Mädchen. Gleichzeitig wäre das so wunderbar, dass sie fürchtet, ihre Einbildung könnte ihr nur einen Streich spielen. Denn diese Stimme, sie ist so verzerrt und gedämpft, könnte ihr gehören. Laura! Hört sie da ihr Kind? Ist ihre Tochter hier – und lebt? Schlagartig verstummt der Schrei, hallt nur noch in Tatjanas Gedanken nach. War das Lauras Stimme, oder nicht?
    Dann beginnt das Schreien erneut. Obwohl Tatjana noch immer Zweifel daran, dass die Stimme wirklich Laura gehört, übernimmt ihr Mutterinstinkt.
    Sie lässt die Türklinke los, als nächstes fällt die Taschenlampe zu Boden. Hektisch sieht sie sich in der Küche um. Sie muss sich bewaffnen. Tatjana greift nach dem Brotmesser, das viel zu klein und zu stumpf wirkt, um bei einem Angriff von Nutzen zu sein. Zweifelnd mustert sie es und lässt es wieder fallen. Stattdessen greift sie nach einer leeren Bierflasche, die auf der Anrichte steht. Sie packt die Flasche am Hals und schlägt sie gegen die Arbeitsfläche, sodass sie zerbricht. Nur der Flaschenhals bleibt in ihrer Hand, mit seinen scharf gezackten, schimmernden Enden. Während die Scherben klirrend zu Boden fallen erstirbt der Schrei. Hat er sie gehört? Tatjana wartet nicht erst, bis seine schweren Tritte erklingen. Schnell greift sie nach einer zweiten Bierflasche, nimmt sich aber nicht mehr die Zeit, auch diese in eine schneidkräftige Waffe zu verwandeln und stürmt los. Wenn er sie bemerkt hat, muss sie nun schnell sein. Vermutlich besteht ihre beste Chance darin, ihn zu erwischen, bevor er die oberste Treppenstufe erreicht, Vielleicht kann sie dann den Höhenunterschied zu ihrem Vorteil nutzen. Eiskalt, ohne wirklich nachzudenken, kommt sie auf solche Gedanken, obwohl sie nie eine Kämpfernatur war. Ihr Instinkt treibt sie voran.
    Tatjana erreicht die Kellertür, da ertönt der nächste Schrei. Sie reißt die Tür auf und stößt mit der Hand, in der sie die zerbrochene Flasche hält, wie mit einem Dolch nach vorne, damit rechnend, dass er sie erwartet, anspringt und versucht, sie zu überwältigen. Doch auf der Treppe ist niemand. Vor ihr tut sich nur ein schlecht beleuchteter Schlund auf, der abwärts führt, geradewegs in die Untiefen der Hölle, wenn man das gequälte Schluchzen der gepeinigten Seele biblisch interpretiert, in das der schrille Schrei nun übergeht.
    Sie zögert nicht und wetzt, mit dem Namen ihres Kindes als bestärkenden Kampfschrei auf den Lippen, die Treppe hinunter.
    „Laura, hab keine Angst! Ich komme!“
    Ihr Blick fällt auf Tom, dessen Kopf sich ruckartig in ihre Richtung wendet.
    „Was zum Teufel…“, entfährt ihm ein erstaunter Fluch. Plötzlich und unerwartet entert Tatjana - eine kreischende Furie - sein privates Reich. Er lässt das Haar des Mädchens los, das er mit eisernem Griff festhielt. Blitzschnell reagiert er auf die überraschende Situation. Mit ein paar großen Sätzen erreicht er den Fuß der Treppe. Er erklimmt gerade die erste Stufe, da holt Tatjana schon aus und zertrümmert auch die zweite Bierflasche, mit einem mächtigen, schwungvollen Hieb, an seinem heranstürmenden Schädel. Sie trifft ihn genau an der Schläfe. Toms Augen rollen nach hinten und er geht wie ein nasser Sack zu Boden.
    Vielleicht hat sie später Zeit, sich darüber zu wundern, wie schnell und einfach es war, ihn auszuschalten, doch jetzt, während sie hastig über ihn hinwegsteigt, hat sie nur Augen für das Mädchen, das ängstlich auf dem Boden kauert.

Kapitel 27
    18. April 2013
     
    Tatjana sieht sie und ihr Herzschlag scheint für einen Moment auszusetzen. Vor ihr kauert das schutzbedürftigste Wesen, das sie je erblickt hat. Sofort ist ihr klar, dass es sich nicht um ihre Tochter handelt. Doch in diesem Augenblick

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