Fieber an Bord
Wachtruppe sich im Schutz der Palisaden verschanzte und ein trunkenes Gelage nach dem anderen veranstaltete, hatte Hardacre sein Möglichstes getan, bei den anderen den Willen zum Überleben zu erhalten.
Raymond hatte sogar die Sträflinge aus der Siedlung vertrieben und ihnen befohlen, in ihren Hütten zu bleiben und sich aus eigener Kraft so gut es ging zu ernähren. Hardacre hatte auch ihnen geholfen und war durch ihre Bereitschaft belohnt worden, Raymonds unsinnigen Befehl zu ignorieren und ihn im Dorf zu unterstützen.
Und dann, vor zwei Tagen, war die Insel von dem gewaltigen Dröhnen von Geschützen, dem Splittern von Baumstämmen, in die Geschosse von der Landzunge jenseits der Bucht einschlugen, jäh aus dem Schlaf gerissen worden. Vor der Insel ankerte ein Schoner, und während der Nacht hatten Tukes Leute zwei Kanonen an Land geschafft und feuerbereit gemacht, sobald es hell genug war, um die Entfernung zu bestimmen.
Anscheinend hatte Raymond versäumt, Posten aufstellen zu lassen, und da auch seine Offiziere des Corps nicht nüchtern genug waren, sich um den Stand der Dinge in der Siedlung zu kümmern, erfolgte der Überfall schnell und völlig unerwartet.
Erbittert sagte Hardacre: »Es dauerte zwei Stunden. Einige der Leute Tinahs wurden verletzt und zwei getötet. Auch die Siedlung ist getroffen worden, aber es war eher eine Drohung als die Absicht, Schaden anzurichten. Danach zogen sie sich wieder zurück. Es könnte sein, daß sie vor der Rückkehr der Tempes t gewarnt wurden. Aber sie haben für Raymond eine Nachricht hinterlassen.«
Die »Nachricht« hatten sie an die verstümmelte Leiche des französischen Offiziers Vicariot geheftet, der der ranghöchste Leutnant von de Barras gewesen war. Sie besagte, falls Raymond und seine Verteidiger sich aus der Siedlung zurückzögen, würden sie sicheres Geleit zu einer anderen Insel erhalten, wo sie auf ihre Rettung warten könnten. Andernfalls würden sie das gleiche Schicksal wie Vicariot erleiden, und auch alle anderen, die sich widersetzten.
Bolitho stand schweigend neben dem Fenster, überlegte und erinnerte sich. Wenn Tuke über die Rückkehr der Tempest informiert gewesen wäre, hätte er früher zugeschlagen, ohne Zeit für dramatische Gesten zu vergeuden. Doch das schien im gleichen Maß wie seine Gerissenheit ein Teil dieses Mannes zu sein: die Fähigkeit, durch ungezügelte Brutalität Widerstand zu brechen, noch ehe er eingesetzt hatte.
In einem Punkt gab es jedoch keinen Zweifel mehr. Die Narva l war gefallen, und unter welcher Flagge sie jetzt segelte, war belanglos. Ihre sechsunddreißig Geschütze, unterstützt von den Kräften, die Tuke darüber hinaus aufbieten konnte, waren mehr als genug, um jeden Widerstand hinwegzufegen.
Ruhig fragte er Raymond: »Wurden Sie über das Dorf unterrichtet, die Zahl der Todesopfer dort?« Es war unglaublich und es war entnervend, aber nicht einmal hatte Raymond nach Viola gefragt. Etwas bei ihm schnappte ein.
»Und Ihre Frau. Sie starb auf See.« Es nur laut auszusprechen, war wie Verrat. Die Erinnerung an sie mit diesem selbstsüchtigen, bösartigen Mann zu teilen, war mehr, als er ertragen konnte. Schroff ergänzte er: »Sie besaß großen Mut.«
Raymond drehte sich langsam auf seinem Sessel um. Seine Augen lagen im Schatten, als er antwortete: »Das habe ich vermutet. Sie ist lieber bei Ihnen gestorben, als mit mir zu leben.«
Er erhob sich ungestüm, und eine leere Flasche rollte unter einem Stapel von Dokumenten hervor.
»Haben Sie von Vicariot gehört? Von dem Überfall?« Raymond sprach so hastig, als ob er eine Unterbrechung befürchte. »Sie werden wiederkommen. Ich habe den Franzosen gesehen. Sie verstümmelten alles an ihm, außer seinem Gesicht. Damit ich ihn erkannte, keine Zweifel hatte.« Er fuhr heftig herum, sein Gesicht zuckte wild. »Ich habe für Hardacre Befehle aufgesetzt. Er übernimmt die Siedlung bis ...« Er wühlte in Dokumenten, suchte nach dem einen, das Hardacre alles zurückgab, was er verloren hatte. Nur daß es jetzt für eine sehr kurz bemessene Frist sein würde.
»Meine Wachen werden die Sträflinge noch heute an Bord Ihres Schiffes bringen. Jetzt. In Sydney mögen neue Instruktionen vorliegen.«
Hardacre hatte bis zu diesem Augenblick geschwiegen. »Sie wollen fort? Die Siedlung aufgeben und uns einem Massaker ausliefern? Keine Milizen, nicht einmal einen Schoner, durch Ihre Schuld.«
Bolitho blickte ihn an, sein Kopf war plötzlich klar.
»Wir werden
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