Fieber
leiden sehen zu müssen. Ohne einen klaren Gedanken zu haben, warum sie es eigentlich tat, lief Cathryn ins Badezimmer und befeuchtete ein Handtuch an einem Ende. Dann eilte sie zurück zu Michelle und tupfte ihr mit dem kühlen Stoff die Stirn ab. Ob sie Michelle damit half, wußte Cathryn nicht, aber es erleichterte sie, überhaupt etwas zu tun.
Dr. Keitzman mußte in der Nähe gewesen sein, denn schon nach wenigen Minuten betrat er Michelles Zimmer. Und sofort begann er, sie zu untersuchen. Der regelmäßige Piepston des Herzmonitors sagte ihm, daß ihr Kreislauf noch immer stabil war. Sie atmete unbehindert, und ihre Lungen waren frei. Dann setzte er sein Stethoskop auf ihren Bauch. Ein wildesDurcheinander ächzender Geräusche drang an sein Ohr. Er nahm das Stethoskop ab, legte seine Hand auf ihren Abdomen und tastete Michelle vorsichtig ab. Als er sich wieder aufgerichtet hatte, flüsterte er einer Schwester etwas zu, die daraufhin eilig aus dem Zimmer lief.
»Magen- und Darmkrämpfe«, sagte Dr. Keitzman zu Cathryn. Seine Stimme klang erleichtert. »Es müssen sich Gase in ihrem Körper angesammelt haben. Die Schwester holt jetzt eine Spritze, und dann wird es Michelle sofort besser gehen.«
Cathryn nickte und sank auf ihrem Stuhl zusammen.
Dr. Keitzman waren Cathryns niedergeschlagene Verfassung und ihr gequälter Gesichtsausdruck nicht entgangen. Mitfühlend legte er ihr eine Hand auf die Schulter. »Kommen Sie doch bitte für einen Moment mit vor die Tür, Cathryn.«
Cathryn sah noch einmal zu Michelle, die nach der Untersuchung wie durch ein Wunder in einen ruhigen Schlaf gefallen war. Dann stand sie leise auf und folgte dem Onkologen auf den Flur. Dr. Keitzman führte sie hinunter zum Aktenraum der Schwesternstation.
»Ich mache mir Sorgen um Sie, Cathryn. Auch Sie stehen unter einer großen Belastung.«
Cathryn nickte. Sie wollte nicht sprechen, weil sie fürchtete, daß sie ihre mühsam aufrechterhaltene Beherrschung verlieren könnte und von ihren Gefühlen überwältigt werden würde.
»Hat Charles angerufen?«
Cathryn schüttelte den Kopf. Sie richtete sich gerade auf und holte tief Luft.
»Es tut mir leid, wie alles gekommen ist. Aber Sie haben das einzig Richtige getan.«
Cathryn war sich da nicht so sicher, aber sie schwieg.
»Leider ist das Schlimmste noch nicht vorbei. Ich muß Ihnen nicht extra sagen, was Sie selbst sehen können: es geht Michelle sehr schlecht. Bis jetzt haben unsere Medikamente noch keine Wirkung auf ihre Leukämiezellen gezeigt. Und es gibt auch keinen Hinweis darauf, daß die Krankheit nachgelassen hat. Sie hat die aggressivste Form von Myeloblastenleukämie, die mir bisher in meiner Praxis begegnet ist. Aber wir werden nicht aufgeben. Im Gegenteil, noch heute werden wir ihr ein weiteres Medikament geben, das ich und einige andere Onkologen bereits im Experiment erprobt haben. Und zwar mit vielversprechenden Ergebnissen. Bis dahin wollte ich Sie fragen, ob Michelles Brüder morgen für ein paar Gewebe- und Bluttests hierher ins Krankenhaus kommen könnten, damit wir sehen, ob einer von beiden als Spender für Michelle in Frage kommt. Ich fürchte, daß wir schon bald gezwungen sein werden, mit der Bestrahlung zu beginnen. Und vielleicht braucht Michelle dann auch eine Knochenmarktransplantation. Glauben Sie, daß Ihre Söhne kommen werden?«
»Ich hoffe es«, brachte Cathryn mühsam hervor. »Ich werde mit ihnen sprechen.«
»Sehr gut«, sagte Dr. Keitzman. Er sah Cathryn forschend ins Gesicht, aber sie wich seinem Blick aus.
»Da haben Sie aber ein schönes Ding abbekommen«, sagte Dr. Keitzman.
»Charles hat es nicht mit Absicht getan«, antwortete Cathryn schnell. »Es war ein Mißgeschick.«
»Charles hat mich letzte Nacht angerufen«, sagte Dr. Keitzman.
»Das hat er getan? Woher hat er angerufen?«
»Von hier aus dem Krankenhaus.«
»Was hat er gewollt?«
»Er hat mich gefragt, ob ich bereit wäre, zu bestätigen, daß Michelles Leukämie durch Benzol verursacht worden ist. Ich habe ihm gesagt, daß das zwar möglich sein könnte, aber daß ich es nicht mit letzter Sicherheit bestätigen kann. Leider gibt es keine Möglichkeit, es zu beweisen. Wie auch immer, am Ende unseres Gesprächs habe ich ihm geraten, einen Psychiater zu konsultieren.«
»Und wie hat er darauf reagiert?«
»Er schien nicht gerade begeistert zu sein von der Idee. Ich wünschte, es gäbe einen Weg, ihn von der Richtigkeit dieses Schrittes zu überzeugen. Nach allem, was er
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