Fieber
Wayne Thomas selbst am Apparat. Charles erzählte seinem Anwalt, daß der Kredit bewilligt worden war und daß er die fünfhundert Dollar noch am Nachmittag in die Brattle Street bringen würde.
»Sie haben es wirklich eilig«, sagte Thomas. »Aber ich habe auch schon ohne den Vorschuß mit der Arbeit begonnen. Ich habe eine Unterlassungsverfügung gegen Recycle beantragt. Den Anhörungstermin dafür werde ich in Kürze erfahren.«
»Das hört sich gut an«, sagte Charles. Wenigstens etwas war auf seine Initiative hin in Gang gekommen.
Charles hatte die Unterlagen auf seinem Schreibtisch fast alle durchgesehen, als er hörte, wie jemand die Tür zu öffnen versuchte. Dann wurde ein Schlüssel in das Schloß geschoben und aufgeschlossen.
Charles drehte sich herum und sah Ellen durch die Tür treten. Ein untersetzter junger Mann in einem Tweedjackett folgte ihr. Befriedigt sah Charles, daß Ellen einen Teil der Laborbücher trug. Der Fremde hatte den zweiten Stapel in den Armen.
»Hast du die Tür abgeschlossen?« fragte Ellen verwundert. Charles nickte.
Ellen drehte sich zu dem Fremden um und verdrehte die Augen. »Ich bin Ihnen wirklich dankbar, daß Sie mir geholfen haben. Legen Sie die Bücher einfach irgendwo ab.«
»Wenn es Ihnen nichts ausmacht, bringen Sie sie doch bitte da hinten hin, zu der Ablage«, fuhr Charles dazwischen und zeigte in die Richtung des kleinen Schränkchens, in dem er die Chemikalien verschlossen hatte.
»Darf ich dir Dr. Michael Kittinger vorstellen«, sagte Ellen.
»Ich habe ihn oben in der Verwaltung kennengelernt. Er wird die Canceran-Studie fortführen, und ich nehme an, daß ich ihm dabei helfen werde.«
Dr. Kittinger streckte ihm eine kleine Hand mit kurzen Wurstfingern entgegen. Ein freundliches Lächeln legte sein gummiglattes Gesicht in kleine Fältchen. »Ich freue mich, Sie kennenzulernen, Dr. Martel. Ich habe schon viel von Ihnen gehört.«
»Das kann ich mir vorstellen«, murmelte Charles.
»Was für ein fantastisches Labor«, rief Dr. Kittinger aus und ließ Charles’ Hand aus seinen Fingern gleiten. Dann wanderte sein Blick über die umfangreiche Laborausrüstung. Sein Gesicht bekam das weihnachtliche Strahlen eines Fünfjährigen. »Mein Gott! Eine Pearson-Ultrazentrifuge. Und da, das kann gar nicht wahr sein … ein Dixon-Elektronenmikroskop! Wie konnten Sie dieses Paradies je verlassen?«
»Man hat mir dabei geholfen«, sagte Charles und sah zu Ellen.
Sie wich seinem Blick aus.
»Hätten Sie etwas dagegen, wenn ich mich ein bißchen umsehe?« fragte Dr. Kittinger begeistert.
»Ja!« antwortete Charles. »Das hätte ich.«
»Charles!« rief Ellen erstaunt. »Dr. Kittinger versucht doch nur, freundlich zu sein. Dr. Morrison hatte die Idee, daß er mit herunterkommt.«
»Das interessiert mich nicht im geringsten«, sagte Charles. »Für die nächsten zwei Tage ist das immer noch mein Labor. Und ich will niemanden hier sehen. Niemand!« Seine Stimme war lauter geworden.
Ellen wich erschrocken zurück und verschwand mit Dr. Kittinger auf den Flur.
Charles griff die Tür und warf sie mit aller Kraft zu. Knallend schlug sie ins Schloß. Einen Moment starrte er auf die Tür, die Hände zu Fäusten geballt. Er wußte, daß er jetzt endgültig allein war. Und daß er Ellen und seinen Nachfolger so erschreckt hatte, war völlig überflüssig gewesen. Was ihm Sorgen machte war, daß sein unvernünftiges Benehmen zweifellos der Verwaltung gemeldet werden würde. Und als Antwort könnte man ihm die Frist verkürzen, für die er noch in seinem Laborbleiben durfte. Er entschloß sich, noch schneller zu arbeiten. Noch in dieser Nacht mußte er seine Sachen in Sicherheit bringen.
Mit neuem Elan machte er sich an die Arbeit. Nach einer weiteren Stunde hatte er alles, was er noch brauchte, in dem kleinen Schrank verstaut.
Charles zog seine verschmutzte Felljacke an, trat auf den Flur und verschloß die Labortür hinter sich. In der Empfangshalle blieb er kurz bei Miß Andrews stehen und sagte ihr, daß er nur kurz außer Haus sei. Falls sie inzwischen auch regelmäßig an Dr. Ibanez Bericht erstattete, sollte sie nicht den Eindruck haben, daß er länger fortbleiben wollte.
Es war bereits nach drei, und der Verkehr auf den Straßen von Boston war hektisch wie jeden Tag vor der Rush-hour. Charles sah sich von unzähligen Geschäftsleuten umgeben, die fast ihr Leben riskierten, um die Interstate 93 noch zu erreichen, bevor die Wagenkolonnen auf dem Memorial und dem
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