Fieber
durchgemacht hat, sorge ich mich ernsthaft um ihn. Ich möchte Sie weiß Gott nicht erschrecken, aber wir haben ähnliche Fälle erlebt, wo der Betreffende gewalttätig geworden ist. Wenn Sie eine Möglichkeit sehen, ihn überreden zu können, daß er einen Psychiater aufsucht, dann sollten Sie es unbedingt versuchen.«
Eilig verließ Cathryn den Aktenraum, um zu Michelle zurückzukehren. Aber als sie an der Schwesternstation vorüberging und in der kleinen Halle gegenüber einen öffentlichen Fernsprecher sah, blieb sie zögernd stehen. Es gab viele Gründe für sie, Charles nicht anzurufen. Aber energisch schob sie ihre Bedenken beiseite. Sie ging zu dem Telefon, warf ein paar Münzen ein und rief das Weinburger-Institut an. Die Frau in der Zentrale verband sie mit Charles’ Labor. Es klingelte zehnmal, aber niemand meldete sich. Dann schaltete sich wieder die Zentrale ein. Die Frau sagte Cathryn, sie wüßte, daß die Mitarbeiterin von Charles in der Bibliothek sei. Ob Cathryn vielleicht mit ihr sprechen wolle. Cathryn war inzwischen froh, wenn sie überhaupt etwas über Charles erfahren konnte, und ließ sich gleich verbinden.
»Er ist nicht in seinem Labor?« fragte Ellen.
»Es geht jedenfalls niemand ans Telefon«, sagte Cathryn.
»Vielleicht hebt er einfach nicht ab«, erwiderte Ellen. »Er hat sich in letzter Zeit etwas sonderbar verhalten. Um ehrlich zu sein, fürchte ich mich sogar ein wenig, zu ihm ins Labor zu gehen. Sie wissen doch, daß Charles entlassen worden ist.«
»Davon hatte ich keine Ahnung«, rief Cathryn erschrocken. »Was ist denn passiert?«
»Das ist eine lange Geschichte«, sagte Ellen. »Und ich glaube, daß nicht ich sie Ihnen erzählen sollte, sondern Charles.«
»Er hat in letzter Zeit viel durchgemacht«, sagte Cathryn unsicher.
»Das weiß ich«, antwortete Ellen.
»Wenn Sie ihn sehen sollten, sagen Sie ihm dann bitte, daß er mich anrufen möchte? Ich bin bei unserer Tochter im Krankenhaus.«
Ellen versicherte, daß sie es ausrichten würde, aber sie sagte Cathryn auch, daß sie nicht glaube, Charles noch einmal zu sehen.
Langsam hängte Cathryn den Hörer ein. Einen Moment überlegte sie, dann rief sie Gina an und fragte, ob Charles sich gemeldet hätte. Niemand habe angerufen, erklärte Gina ihr unwirsch. Anschließend versuchte Cathryn es zu Hause, aber es war so, wie sie erwartet hatte; niemand meldete sich. Wo war Charles geblieben? Was ging hier eigentlich vor?
Gedankenversunken setzte Cathryn ihren Weg zu Michelles Zimmer fort. Wie schnell die einmal so sichere Welt um sie herum zusammengebrochen war. Warum hatte man Charles entlassen? Während ihrer kurzen Zeit als Aushilfe am Weinburger-Institut hatte sie erfahren, daß Charles einer der angesehensten Mitarbeiter war. Was konnte nur geschehen sein? Cathryn fand nur eine Erklärung. Vielleicht hatte Dr. Keitzman recht. Vielleicht hatte Charles einen Nervenzusammenbruch erlitten und irrte jetzt ziellos und allein umher, abgeschnitten von seiner Familie und seiner Arbeit. O Gott!
Sie schlüpfte in Michelles Zimmer und strengte ihre Augen an, um das Gesicht des Kindes in dem Dämmerlicht erkennen zu können. Sie hoffte, Michelle würde noch immer schlafen. Doch als sich ihre Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, sah sie, daß ihre Tochter sie die ganze Zeit aufmerksam beobachtet hatte. Nur schien sie schon zu schwach zu sein, um ihren Kopf noch heben zu können. Cathryn war mit einigen schnellen Schritten an ihrer Seite und griff nach Michelles heißer Hand.
»Wo ist mein Daddy?« fragte Michelle. Sie bemühte sich, ihre aufgesprungenen Lippen so wenig wie möglich zu bewegen.
Cathryn zögerte und überlegte, was sie am besten antworten sollte. »Charles fühlt sich nicht gut, weil er sich so sehr um dich sorgt.«
»Aber gestern Nacht hat er mir versprochen, daß er heute wiederkommen würde«, sagte Michelle mit bittender Stimme.
»Dann wird er auch kommen, wenn er kann«, antwortete Cathryn mit leiser Stimme.
»Dann wird er sicherlich kommen.«
Eine einzelne Träne lief Michelles Gesicht hinunter. »Am besten wäre ich tot.«
Für einen Augenblick war Cathryn wie gelähmt. Dann beugte sie sich über das Bett, schloß ihr Kind in die Arme und versuchte nicht länger, die eigenen Tränen zurückzuhalten. »Nein! Nein! Michelle. So etwas darfst du nie wieder sagen.«
Dankbar hatte Charles entdeckt, daß man ihm bei der Hertz-Niederlassung mit den Wagenpapieren auch einen Eiskratzerin das
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