Fieber
zum Teufel, hat er getan?«
»Erzähl mir nicht, daß du nichts davon gehört hast«, sagte Ellen ungläubig.
»Liebe Ellen, gerade du solltest wissen, daß ich ausschließlich hierherkomme, um zu arbeiten.«
»Das ist wahr. Aber die Brighton-Geschichte … Jeder weiß davon. Das ganze Haus redet seit mindestens einer Woche von nichts anderem.«
»Wenn ich dich nicht kennen würde, müßte ich jetzt glauben, daß du mich beleidigen willst. Wenn du es mir nicht erzählen willst, auch gut. Wenn ich dich so höre, glaube ich sowieso fast, daß ich es lieber nicht erzählt haben will.«
»Es ist auch schlimm genug«, stimmte Ellen zu. »Der Leiter der Tierabteilung hat dem Direktor mitgeteilt, daß Dr. Thomas Brighton heimlich in das Tierlabor geschlichen ist und seine verkrebsten Tiere gegen gesunde ausgetauscht hat.«
»Das ist ja großartig«, sagte Charles sarkastisch. »Offensichtlich wollte er den Eindruck erwecken, daß sein Medikament sensationelle Wirkung hat.«
»Genau. Das macht die Geschichte ja gerade so interessant. Denn es ist ja sein Medikament Canceran gewesen, das ihm die vielen Presseberichte eingebracht hat.«
»Und seine Stellung hier am Institut«, ergänzte Charles. Zorn und Verachtung hatten sein Gesicht gerötet. Er hatte die viele öffentliche Aufmerksamkeit, die Dr. Thomas Brighton zuteil geworden war, immer mißbilligt. Aber als er seine Meinung einmal geäußert hatte, mußte er feststellen, daß man ihn nur für neidisch hielt.
»Mir tut er leid«, sagte Ellen. »Das wird nicht ohne Auswirkung auf seine Karriere bleiben.«
»Versteh’ ich dich richtig?« fragte Charles. »Dir tut der Kerl auch noch leid? Ich hoffe, daß dieser Betrüger sofort aus dem Institut fliegt und aus dem Ärztestand ausgeschlossen wird. Verstehst du, das soll ein Arzt sein! Betrug in der Forschung ist genauso schlimm wie Betrug bei der Patientenbehandlung. Nein! Es ist viel schlimmer. Ein Fehler in der Forschung kann am Ende viel mehr Leuten schaden.«
»Ich würde nicht so vorschnell urteilen. Vielleicht stand er unter einem riesigen Druck, gerade weil soviel über das Canceran geschrieben worden ist. Es könnte immerhin mildernde Umstände für ihn geben.«
»Wenn es um moralische Integrität geht, gibt es keine mildernden Umstände.«
»Da bin ich anderer Meinung. Jeder hat seine Probleme. Und nicht jeder kann so ein Supermann sein wie du.«
»Jetzt fang bitte nicht an, herumzuphilosophieren.« Die Bosheit in Ellens letztem Satz hatte Charles überrascht.
»Ich hör’ schon auf. Aber ein bißchen mehr menschlicheNachsicht würde dir ganz gut zu Gesicht stehen, Charles Martel. Du kümmerst dich nicht einen Moment um die Gefühle anderer Leute. Du kannst immer nur nehmen.« Ellens Stimme zitterte vor Erregung.
Gespanntes Schweigen breitete sich im Labor aus. Ellen wandte sich demonstrativ wieder ihrer Arbeit zu, und Charles schlug das Buch mit seinen Versuchsaufzeichnungen auf. Aber er konnte sich nicht darauf konzentrieren. Er hatte gar nicht so verärgert klingen wollen, und offensichtlich hatte er Ellen verletzt. Stimmte es wirklich, daß er die Gefühle anderer nicht beachtete? Es war das erste Mal, daß Ellen etwas Negatives über ihn gesagt hatte. Charles fragte sich, ob das irgend etwas mit der kurzen Affäre zu tun haben konnte, die er, kurz bevor er Cathryn begegnet war, mit Ellen gehabt hatte. Nachdem sie so viele Jahre zusammengearbeitet hatten, war sie mehr das Ergebnis ihrer täglichen Nähe gewesen als die Folge einer romantischen Liebe. Es war die Zeit, als Charles die starre Niedergeschlagenheit, die ihn nach Elisabeths Tod befallen hatte, endlich wieder abstreifen konnte. Ihr Verhältnis hatte nur einen Monat gedauert. Dann war Cathryn als Aushilfe für den Sommer ans Institut gekommen. Später hatten er und Ellen nie über ihre Affäre gesprochen. Charles hatte es als leichter empfunden, die Episode einfach in die Vergangenheit hinabgleiten zu lassen.
»Es tut mir leid, wenn ich böse geklungen habe«, sagte Charles. »Ich habe es nicht so gemeint. Es hat mich einfach fortgerissen.«
»Und ich entschuldige mich für das, was ich gesagt habe.« In Ellens Stimme schwang immer noch ein tief empfundenes Gefühl mit.
Charles war noch nicht wieder überzeugt. Am liebsten hätte er Ellen gefragt, ob sie ihn wirklich für gefühllos hielt. Aber er hatte nicht den Mut.
»Dabei fällt mir ein«, fügte Ellen hinzu, »Dr. Morrison möchte dich so schnell wie möglich sprechen. Er hat
Weitere Kostenlose Bücher