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Fiebertraum

Fiebertraum

Titel: Fiebertraum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R.R. Martin
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Messer verloren hatte. Er zog sich zurück, Schritt für Schritt, bis sein Rücken gegen eine mit einem Spiegel versehen Tür stieß.
    » Rennen Sie, Abner! « wiederholte York.
    Marsh tastete fahrig nach dem Knauf und öffnete die Tür und gelangte rückwärts in die Kabine hinter ihm, und er sah, wie Joshua sich umwandte und sich zwischen die Kabine und die anderen schob, Julian und Katherine und alle anderen, das Nachtvolk, die Vampire. Und das war das letzte, was er sah, ehe er sich herumwarf und losrannte.

KAPITEL ACHTZEHN
 
An Bord des Raddampfers Fiebertraum Mississippi River, August 1857
     
     
    A ls am nächsten Morgen über New Orleans die Sonne aufging, ein geschwollenes gelbes Auge, das den Dunst über dem Fluß rot färbte und einen glühendheißen Tag ankündigte, wartete Abner Marsh am Liegeplatz.
    Er war am Abend vorher weit gelaufen, war wie ein Wahnsinniger durch die von Gaslampen erleuchteten Straßen des Vieux Carré gejagt, war mit Passanten zusammengestoßen, stolpernd und keuchend, war gerannt wie nie zuvor in all den Jahren, bis er schließlich, reichlich verspätet, begriff, daß niemand ihn verfolgte. Dann hatte Marsh eine düstere, verrauchte Schnapsbude gefunden und hatte drei schnelle Whiskeys gekippt, um das Zittern seiner Hände zu beenden. Und am Ende, kurz vor Tagesanbruch, hatte er sich auf den Rückweg zur Fiebertraum gemacht. Noch nie zuvor in seinem Leben war Abner Marsh zorniger gewesen oder hatte er sich mehr geschämt. Sie hatten ihn von seinem eigenen Dampfschiff verjagt, hatten ihm ein Messer an den Hals gehalten, hatten vor seinen Augen ein Baby ermordet, auf seinem eigenen Tisch. Niemand springt auf diese Weise mit Abner Marsh um und kommt so einfach davon, dachte er; kein Weißer, kein Schwarzer, kein Indianer und schon gar kein verdammter Vampir. Damon Julian würde das noch ganz schön leid tun, schwor er sich. Der Tag war angebrochen, und die Jäger würden ihre Beute bekommen.
    An der Anlegestelle herrschte bereits lebhafter Betrieb, als Marsh dort ankam. Ein anderer großer Seitenraddampfer hatte neben der Fiebertraum festgemacht und wurde entladen, Straßenhändler verkauften von ihren Karren Obst und Eiscreme, ein oder zwei Hotelkutschen waren zu sehen. Und die Fiebertraum stand unter Dampf, wie Marsh verblüfft und erschrocken zugleich feststellen konnte. Dunkler Qualm wälzte sich aus ihren Schornsteinen, und tief unten war eine Gruppe Schauerleute damit beschäftigt, die letzten Frachtstücke an Bord zu bringen. Er beschleunigte seinen Schritt und sprach einen der Männer an. Er rief: »He, du da! Wart mal!«
    Der Arbeiter war ein großer massiger schwarzer Mann mit einem glänzenden kahlen Schädel, dem ein Ohr fehlte. Er wandte sich auf Marshs Ruf hin um, wobei er ein Faß auf der linken Schulter balancierte. »Ja, Sir, Cap’n?«
    »Was geht hier vor?« wollte Marsh wissen. »Warum wird aufgeheizt? Ich habe keinen Befehl dazu gegeben.« Der Schauermann runzelte die Stirn. »Ich lade nur ein, Cap’n. Ich hab’ keine Ahnung von nichts, Suh.«
    Marsh zerbiß einen Fluch und schob sich an ihm vorbei. Hairy Mike Dunne kam über den Laufgang geschlendert und wog seinen Eisenknüppel in der Hand. »Mike!« rief Marsh.
    Hairy Mike machte ein finsteres Gesicht, und ein Ausdruck angestrengter Konzentration überschattete sein Gesicht. »’n Morgen. Cap’n. Haben Sie dieses Schiff wirklich verkauft?«
    » Wie bitte? «
    »Cap’n York sagt, Sie hätten es ihm zur Hälfte verkauft, und Sie führen nicht mit uns. Ich kam zwei Stunden nach Mitternacht zurück, ich und ein paar von den Jungs, und York sagt, Sie und er wären sich einig gewesen, daß bei zwei Kapitänen einer zuviel ist und daß er Sie ausgekauft hat. Und dann hat er Whitey den Befehl gegeben, Dampf zu machen, und das hat er getan, und da sind wir nun. Ist das die Wahrheit, Cap’n?«
    Marsh verzog wütend das Gesicht. Die Schauerleute drängten sich neugierig heran, daher packte er Hairy Mike am Arm und zog ihn über den Steg auf das Hauptdeck. »Ich habe jetzt keine Zeit für lange Geschichten«, meinte er, als sie beide ausreichend weit von allen anderen entfernt waren. »Also gehen Sie mir jetzt nicht mit irgendwelchen Fragen auf die Nerven, verstanden? Tun Sie nur, was ich Ihnen sage.«
    Hairy Mike nickte. »Ärger, Cap’n?« erkundigte er sich und schlug sich mit dem Eisenknüppel klatschend in die mächtige Pranke.
    »Wie viele sind zurück?« wollte Marsh wissen. »Fast die ganze Mannschaft,

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