Fiebertraum
dem Dampfer runter und verziehen uns irgendwohin flußaufwärts, wo niemand uns stört und wo keiner von den Nachtleuten fliehen kann, wenn es dazu kommen sollte, daß wir mehr von ihnen töten müssen als nur Julian. Aber ich denke, das wird nicht nötig sein.« Marsh schaute Jeffers an. »Haben Sie den zweiten Schlüssel von der Kabine, in die Sie Julian gelegt haben?«
»In meinem Safe«, sagte der Zahlmeister und wies mit seinem Stockdegen auf den schwarzen Stahlschrank. »Gut«, sagte Marsh. »Mike, wie hart können Sie mit diesem Ding dort zuschlagen?«
Hairy Mike lächelte und ließ den Eisenknüppel mit einem Klatschen in die Hand fallen. Es knallte recht laut. »Wie hart soll ich denn zuschlagen, Cap’n?«
»Ich möchte, daß sie ihm den verdammten Schädel zerschmettern«, sagte Marsh. »Und es muß gleich beim ersten Schlag klappen. Zeit für einen zweiten Versuch werden wir nicht haben.
Wenn Sie ihm nur die Nase brechen, dann reißt er Ihnen eine Sekunde später die Kehle auf.«
»Ein Schlag«, versprach Hairy Mike. »Nur einer.«
Abner Marsh nickte und vertraute darauf, daß der massige Maat sein Wort hielt. »Dann gibt es nur noch ein weiteres Problem. Sour Billy. Er ist Julians kleiner Wachhund. Vielleicht schläft er in irgendeinem Sessel, aber ich gehe mal davon aus, daß er schnell genug aufwacht, wenn er sieht, daß wir auf Julians Tür zugehen. Deshalb wird er uns gar nicht zu Gesicht bekommen. Die Kabinen auf dem Kesseldeck haben zwei Türen. Wenn Billy sich im Salon aufhält, dann dringen wir vom Promenadendeck aus ein, wenn er sich draußen herumdrückt, dann nehmen wir den Weg durch den Salon. Ehe wir überhaupt irgend etwas tun, vergewissern wir uns, wo Billy sich aufhält. Das ist Ihr Job, Mister Jeffers. Sie müssen Mister Sour Billy Tipton suchen und uns dann mitteilen, wo er ist, und dann müssen Sie dafür sorgen, daß er nicht im Schiff herumwandert. Falls er irgendwelchen Lärm hört oder auf Julians Kabine zusteuert, dann will ich, daß Sie ihm Ihren Stockdegen durch den miesen kleinen Wanst jagen, verstanden?«
»Alles klar«, sagte der Zahlmeister grimmig. Er rückte die Brille zurecht.
Abner Marsh hielt einen Moment lang inne und betrachtete seine beiden Verbündeten aufmerksam: den schlanken Dandy von einem Zahlmeister mit der goldgeränderten Brille und den Knopfgamaschen, dem schmalen Mund, dem ordentlich zurückgekämmten glatten Haar und neben ihm den massigen Maat mit seinen derben Kleidern, dem groben Gesicht, der ungehobelten Art und den grünen harten Augen, der immer zu einem Kampf aufgelegt war. Sie waren ein seltsames Paar, aber ein schreckliches dazu, dachte Abner Marsh. Er schnaubte zufrieden. »Nun, worauf warten wir?« fragte er. »Mister Jeffers, schauen Sie erst mal nach, wo Sour Billy ist.«
Der Zahlmeister erhob sich und empfahl sich. »Natürlich«, sagte er.
Er war schon nach knapp fünf Minuten wieder zurück. »Er hält sich in der Hauptkabine auf und frühstückt. Die Pfeife muß ihn geweckt haben. Er ißt Rührei und Fleischpastete und trinkt jede Menge Kaffee, und er sitzt so, daß er die Tür von Julians Kabine sehen kann.«
»Gut«, sagte Marsh. »Mister Jeffers, warum gehen Sie nicht auch frühstücken?« Jeffers lächelte. »Ich glaube, ich bekomme plötzlich einen Bärenhunger.«
»Aber zuerst die Schlüssel, bitte!«
Jeffers nickte und bückte sich zu seinem Safe hinunter. Mit den Schlüsseln in der Hand ließ Marsh dem Zahlmeister gut zehn Minuten Zeit, um in den großen Salon zurückzukehren, ehe er sich erhob und tief Luft holte. Das Herz schlug ihm heftig. »Kommen Sie!« sagte er zu Hairy Mike Dunne und öffnete die Tür zur Welt draußen.
Der Tag war sonnenhell und heiß, was Marsh als gutes Omen ansah. Die Fiebertraum ritt mühelos flußaufwärts und zog eine Doppellinie weißgefleckten Schaums hinter sich her. Sie mußte eine Fahrt von achtzehn Meilen pro Stunde machen, schätzte Marsh, und verhielt sich dabei genauso glatt und geschmeidig, wie ein Kreole Manieren hat. Er ertappte sich dabei, wie er sich fragte, in welcher Zeit sie es wohl bis Natchez schaffen mochte, und plötzlich hatte er den Wunsch, oben im Ruderhaus zu sein und auf den Fluß hinauszublicken, den er sosehr liebte. Abner Marsh schluckte, hielt mit Mühe blinzelnd eine Träne zurück und fühlte sich reichlich unwohl und unmännlich.
»Cap’n?« fragte Hairy Mike unsicher.
Abner Marsh schüttelte ungehalten den Kopf. »Es ist nichts«, stieß er
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