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Fiebertraum

Fiebertraum

Titel: Fiebertraum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R.R. Martin
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aus ihren Höhlen, und als er versuchte, sich aus dem tödlichen Griff zu befreien, rutschte ihm die goldgeränderte Brille von der Nase und fiel auf das Deck.
    Marsh sprang vor und schlug mit seinem Stock auf Julian ein, überschüttete seinen Kopf und seine Schultern mit einem Trommelfeuer wilder Hiebe. Von dem Degen aufgespießt, schien Julian diesen Angriff kaum zu spüren. Er führte einen heftigen Ruck aus, ein Geräusch von brechendem Holz ertönte, und Jeffers erschlaffte.
    Abner Marsh holte mit seinem Stock zu einem letzten rasenden Schlag aus, legte seine ganze Kraft hinein, traf Damon Julian mitten auf die Stirn und ließ ihn kurz schwanken. Als Julian die Hände öffnete, fiel Jeffers wie eine Lumpenpuppe herab, den Kopf grotesk verdreht, so daß es fast schien, als sei er verkehrt herum aufgesetzt.
    Abner Marsh zog sich eilends zurück.
    Julian berührte seine Stirn, als wolle er die Wirkung von Marshs Treffer überprüfen. Es war kein Blut da, wie Marsh enttäuscht beobachten konnte. So stark er auch war, er war kein Hairy Mike Dunne, und Hickoryholz war kein Eisen. Damon Julian trat Jeffers’ Hand vom Griff des Stockdegens los. Sich windend und zuckend zog er sich die blutbeschmierte Klinge selbst aus dem Körper. Hemd und Hose waren naß und rot und klebten an ihm, als er sich wieder bewegte. Er schleuderte die Klinge fast nachlässig beiseite, und sie tanzte über die Holzplanken, verschwand wirbelnd in der Dunkelheit und tauchte in den dunklen Fluten unter.
    Julian stolperte wieder vorwärts und hinterließ dabei blutige Fußspuren auf dem Deck. Aber er kam.
    Marsh wich vor ihm zurück. Es ist nicht möglich, ihn zu töten, dachte er in blinder Panik; es gibt kein Mittel gegen ihn. Joshua und seine Träume, Hairy Mike und sein Eisenknüppel, Mister Jeffers und sein Degen, nichts und niemand konnte es mit Damon Julian aufnehmen. Marsh eilte die kurze Treppe zum Sturmdeck hinunter und rannte los. Keuchend lief er nach achtern, den Abgang vom Sturmdeck auf die Promenade hinunter, wo er Menschen antreffen würde und in Sicherheit wäre. Er sah, daß es nun fast völlig dunkel war. Er machte drei wilde Schritte abwärts, dann packte er das Geländer und bremste seinen Lauf.
    Sour Billy Tipton und vier von ihnen kamen zu ihm herauf.
    Abner Marsh wandte sich um und stieg wieder nach oben. Renn und läute die Glocke! dachte er wild. Läute und ruf Hilfe . . . Aber Julian war nun vom Texasdeck heruntergekommen und schnitt ihm den Weg ab. Für einen kurzen Moment stand Marsh stocksteif da, vor Verzweiflung und Not wie gelähmt. Er sah keinen Fluchtweg mehr, er hing fest zwischen Julian und den anderen, unbewaffnet bis auf seinen nutzlosen verdammten Stock, und es war sowieso gleichgültig, denn nichts konnte ihnen etwas anhaben; sich wehren war völlig sinnlos. Genausogut konnte er sich auch geschlagen geben. Julians Gesicht zeigte ein schmales, grausames Grinsen, als er sich näherte. In Gedanken sah Marsh, wie das bleiche Gesicht sich auf ihn herabsenkte, die Zähne entblößt und gefletscht, die Augen glühend vor Hunger und Durst, rot und uralt und unbesiegbar. Wenn er noch Tränen gehabt hätte, hätte Marsh wahrscheinlich geweint. Er stellte fest, daß er seine Beine nicht von dem Fleck lösen konnte, wo sie wie festgewachsen standen, und sogar sein Stock schien nun unendlich schwer zu sein. Dann, ein gutes Stück flußaufwärts, schob sich ein anderer Seitenraddampfer um eine Biegung, und Abner Marsh hätte ihn niemals bemerkt, aber der Lotse sah ihn, und die Dampfpfeife der Fiebertraum ertönte und teilte dem anderen Dampfer mit, er solle sie an Backbord passieren. Der schrille Klang der Pfeife riß Marsh aus seiner Lähmung, und er blickte auf und sah die fernen Lichter des nahenden Schiffs und die Flammen, die zwischen den schwarzen Qualmwolken aus den Öffnungen seiner hohen Schornsteine schlugen, und den fast vollständig schwarzen Himmel, der sich darüber spannte, und die Blitze, die in der Ferne die Gewitterwolken von innen zu erleuchten schienen, und den Fluß, den endlosen schwarzen Fluß, den Fluß, der sein Zuhause war und sein Gewerbe und sein Freund und sein schlimmster Feind und ein launischer, brutaler, liebender Begleiter seiner Ladies. Er floß weiter, wie er immer geflossen war, und er wußte nichts und kümmerte sich auch nicht um Damon Julian und seine Gefährten, sie waren für ihn ein Nichts, sie alle wären längst untergegangen und vergessen; und der alte Fluß würde

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