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Fiebertraum

Fiebertraum

Titel: Fiebertraum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R.R. Martin
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etwas, das Ihnen gehört.« Er holte zwei Bücher hervor und reichte sie Marsh. »Aus der Bibliothek der Fiebertraum «, erklärte er. »Ich habe mit Cap’n York in New Orleans Schach gespielt und erwähnte, daß ich gern Gedichte lese, und da gab er mir diese Bücher am nächsten Tag. Als ich das Schiff verließ, habe ich sie irrtümlich mitgenommen.«
    Abner Marsh wog die Bücher in der Hand. Lyrik. Ein Band mit Gedichten von Byron und einer von Shelley. Genau das, was ich jetzt dringend brauche, dachte er. Sein Dampfschiff war weg, regelrecht vom Fluß verschwunden, und alles, was er von dem Schiff noch vorweisen konnte, waren zwei verdammte Bücher mit Gedichten. »Behalten Sie sie«, sagte er.
    Albright schüttelte den Kopf. »Ich will sie nicht. Das ist nicht die Art von Gedichten, die mir gefällt, Cap’n. Verdorben, alle beide. Kein Wunder, daß Ihr Schiff vom Schicksal ereilt wurde, wenn es solche Bücher mit sich führte.«
    Abner Marsh schob die Bücher in seine Tasche und stand mit finsterer Mine auf. »Es reicht mir jetzt, Mister Albright. Ich werde mir dieses Gerede über mein Schiff nicht länger anhören. Es ist nicht schlechter als andere Schiffe auf dem Fluß, und es steht unter keinem Fluch. Es gibt keine Flüche, die ein Schiff in den Untergang treiben. Die Fiebertraum ist ein teuflisch gutes . . . «
    »Das ist sie wirklich«, unterbrach Dan Albright ihn. Er stand ebenfalls auf. »Ich muß gleich los wegen einer neuen Anstellung«, sagte er und geleitete Marsh zur Tür. Marsh ließ sich nach draußen komplimentieren. Doch in der Tür meinte der elegante kleine Lotse: »Cap’n Marsh, lassen Sie sie.«
    »Wen?«
    »Den Dampfer«, sagte Albright. »Er ist nicht gut für euch. Sie wissen doch, daß ich ein Unwetter schon lange vorher riechen kann.«
    »Ja«, gab Marsh zu. Albright konnte Stürme und Gewitter besser vorhersagen als jeder andere, den Marsh je gekannt hatte.
    »Manchmal rieche ich auch noch ganz andere Sachen«, sagte der Lotse. »Suchen Sie nicht danach, Cap’n. Vergessen Sie das Schiff. Ich dachte, Sie wären tot. Sie sind es nicht. Jetzt sollten Sie dankbar sein. Die Fiebertraum zu suchen und vielleicht zu finden, wird Ihnen wenig Freude bringen, Cap’n.«
    Abner Marsh starrte ihn an. »So etwas können Sie sagen? Sie haben hinter ihrem Ruder gestanden und sie den Fluß hinuntergesteuert, und dann können Sie so etwas behaupten?«
    Albright schwieg.
    »Nun, ich höre nicht auf Sie«, erklärte Marsh. »Es ist mein Dampfschiff, Mister Albright, und eines Tages lenke ich es selbst, und dann lasse ich es gegen die Eclipse fahren, hören Sie, und . . . und . . . « Das Gesicht vor Zorn gerötet, hatte Marsh das Gefühl, an seiner eigenen Zunge ersticken zu müssen. Er bekam kein Wort mehr heraus.
    »Stolz kann eine schwere Sünde sein, Cap’n«, warnte Dan Albright. »Lassen Sie die Dinge ruhen!« Er schloß die Tür und ließ Marsh draußen auf dem Flur stehen.
    Abner Marsh nahm sein Mittagessen im Speisesaal des Planters’ House ein, nachdem er einen Tisch für sich allein in einer Ecke gefunden hatte. Albright hatte ihn doch getroffen, und er stellte fest, daß er wieder die gleichen Gedanken wälzte wie während seiner Fahrt flußaufwärts auf der Princess . Er verspeiste eine Hammelkeule in Pfefferminzsauce, ein Gemüse aus Bohnen und Rüben und drei Portionen Tapioka, aber nicht einmal das beruhigte ihn. Während er seinen Kaffee trank, überlegte Marsh, ob Albright am Ende nicht doch recht hatte. Er war wieder in St. Louis, genauso wie vorher, ehe er Joshua York in eben diesem Saal kennengelernt hatte. Er hatte immer noch seine Firma, die Eli Reynolds und etwas Geld auf der Bank. Er war ein Oberlauf-Mann; es war ein schrecklicher Fehler gewesen, jemals nach New Orleans hinunterzugehen. Sein Traum hatte sich da unten im Sklavenland, im fieberheißen Süden, schnell in einen Alptraum verwandelt. Aber nun war es vorbei, sein Dampfer war weg und verschwunden, und wenn er es so wollte, dann könnte er durchaus so tun, als sei das alles niemals geschehen, als hätte es niemals einen Dampfer namens Fiebertraum gegeben und auch keine Leute namens Joshua York und Damon Julian und Sour Billy Tipton. Joshua war aus dem Nichts aufgetaucht, und nun war er wieder dorthin entschwunden. Die Fiebertraum hatte im April nicht existiert, und es schien sie auch jetzt nicht mehr zu geben, soweit Marsh es beurteilen konnte. Ein völlig normaler und vernünftiger Mensch konnte diesen ganzen

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