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Fiebertraum

Fiebertraum

Titel: Fiebertraum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R.R. Martin
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kühler als die schwere blaue Kapitänsjacke, die er bisher getragen hatte. In dem Büro befand sich kein Spiegel, daher konnte Marsh nicht überprüfen, wie er aussah, aber er konnte es sich vorstellen. In seiner Vorstellung sah er aus wie Joshua York, bot er einen feinen und würdigen und eleganten Anblick. Das Tuch war so weiß, daß es zu leuchten schien.
    »Ich sehe aus wie der Cap’n der Fiebertraum «, sagte Marsh laut zu sich selbst. Er stieß seinen Stock hart auf den Fußboden und fühlte, wie ihm das Blut ins Gesicht schoß, und er stand da und erinnerte sich. Er erinnerte sich daran, wie sie ausgesehen hatte, damals, im Dunst von New Albany. Er erinnerte sich daran, wie ihre Spiegel glänzten, erinnerte sich an die Silberbeschläge, an den wilden Schrei ihrer Dampfpfeife und an das Dröhnen ihrer Maschine, so laut wie ein Gewitter. Er erinnerte sich daran, wie sie die Southerner weit hinter sich gelassen hatte, wie sie den Vorsprung der Mary Kaye gefressen hatte. Er erinnerte sich auch an ihre Mannschaft; an Framm mit seinen wilden Geschichten, an Whitey Blake, der voller Schmierflecken war, an Toby, wie er Hühner schlachtete, an Hairy Mike, der mit den Schauerleuten und den Deckshelfern herumfluchte und sie anbrüllte, an Jeffers, der so gern Schach spielte und Dan Albright sicherlich an die hundertmal besiegt hatte. Wenn Albright so klug ist, dachte Marsh, wie kommt es dann, daß er Jeffers im Schach niemals schlagen konnte?
    Und Marsh erinnerte sich am lebhaftesten an Joshua, Joshua ganz in Weiß, Joshua, wie er aus seinem Glas trank, Joshua, wie er in der Dunkelheit saß und von seinen Träumen erzählte. Graue Augen und starke Hände und Gedichte. »Wir alle treffen unsere Wahl«, flüsterte die Erinnerung. Der Morgen kam und ging und kam und brachte keinen Tag.
    »GREEN!« brüllte Marsh, so laut er konnte. Die Tür öffnete sich, und der Agent steckte nervös den Kopf herein. »Ich will mein Dampfschiff«, sagte Marsh. »Verdammt, wo ist es?« Green schluckte. »Cap’n, ich sagte es Ihnen doch schon, die Fiebertraum ...«
    »Die doch nicht!« entgegnete Marsh und stieß den Stock hart auf. »Mein anderes Dampfschiff. Wo, zum Teufel, ist mein anderes Dampfschiff, jetzt, da ich es brauche?«

KAPITEL ZWEIUNDZWANZIG
 
An Bord des Raddampfers Eli Reynolds Mississippi River, Oktober 1857
     
     
    A n einem kühlen Abend im Frühherbst verließen Abner Marsh und die Eli Reynolds schließlich St. Louis und liefen flußabwärts, um die Fiebertraum zu suchen. Marsh wäre viel lieber schon mehrere Wochen früher aufgebrochen, doch es war zuviel zu tun gewesen. Er hatte darauf warten müssen, daß die Eli Reynolds von ihrer letzten Fahrt den Illinois hinauf zurückkam, und sie dann überprüfen müssen, um sicherzugehen, daß sie auf dem Unterlauf des Flusses operieren konnte, und er hatte sich zwei Mississippi-Lotsen suchen müssen. Marsh mußte außerdem Schadenersatzforderungen von den Pflanzern und Spediteuren befriedigen, die der Fiebertraum in New Orleans Fracht für St. Louis anvertraut hatten und nun wütend auf das Verschwinden des Dampfers reagierten. Marsh hätte darauf dringen können, daß sie seinen Verlust teilten, aber er war immer stolz darauf gewesen, fair zu sein, daher zahlte er ihnen fünfzig Cent pro Dollar. Dann war da auch noch die unangenehme Aufgabe, Mister Jeffers’ Angehörige zu verständigen - Marsh dachte sich, daß er ihnen wohl kaum erzählen konnte, was wirklich geschehen war; daher nahm er Zuflucht zu der Geschichte vom Gelbfieber. Andere Leute vermißten Brüder und Ehemänner, die verschwunden waren, und sie bestürmten Marsh mit Fragen, die er nicht beantworten konnte, und dann mußte er sich mit einem Inspektor der Regierung und einem Mann von der Lotsenvereinigung herumschlagen, und dann mußte er Rechnungen bezahlen und Geld eintreiben und seine Bücher kontrollieren und Vorbereitungen treffen, und das alles summierte sich zu einem Monat der Verzögerungen, Enttäuschungen und Unannehmlichkeiten.
    Doch die ganze Zeit über hielt Marsh die Augen offen. Als auf die Briefe, die Green für ihn versandt hatte, keine Antworten kamen, schickte er weitere Briefe los. Er paßte einlaufende Dampfer ab, sooft er dazu Zeit fand, und fragte nach der Fiebertraum , nach Joshua York, nach Karl Framm und Whitey Blake und Hairy Mike Dunne und Toby Lanyard. Er engagierte zwei Detektive und schickte sie flußabwärts mit Instruktionen, soviel wie möglich in Erfahrung zu

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