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Fiebertraum

Fiebertraum

Titel: Fiebertraum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R.R. Martin
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Geld Sie mit dem Dampfschiff verdienen: Wenn es morgen sinken würde, dann wäre es Ihnen völlig gleichgültig, sondern Sie würden einfach irgendwoanders hingehen. Und was Sour Billy angeht, vielleicht wollen Sie ihn wirklich loswerden und statt dessen mich benutzen, aber das kommt nicht in Frage. Es ist Joshua. Wenn ich zu Ihnen komme, dann wird das zerbrochen, woran er sich noch festhält, und es würde beweisen, daß Sie recht haben. Joshua hat mir vertraut, und sie wollen mich auf Ihrer Seite, weil Sie wissen, was dies bei ihm anrichten würde.« Julians Hand war immer noch ausgestreckt, die Ringe schimmerten weich an den langen bleichen Fingern. »Verdammter Satan!« brüllte Marsh, packte seinen Spazierstock und holte aus und schlug die Hand zur Seite. »SEID VERFLUCHT!«
    Das Lächeln erstarb auf Damon Julians Lippen, und sein Gesicht wurde irgendwie unmenschlich. In seinen Augen war nun nichts mehr als Dunkelheit und Alter und flackernde, gedämpfte Feuer, in denen das uralte Böse tanzte. Er erhob sich, so daß er Abner Marsh überragte, und entriß ihm den Stock, als Marsh damit nach seinem Gesicht zielte. Er zerbrach ihn mit bloßen Händen, so leicht, wie Marsh vielleicht ein Zündholz zerbrach, und schleuderte die Teile von sich. Die beiden Stockhälften prallten klappernd gegen die Wand und blieben auf dem Teppich liegen. »Man hätte sich vielleicht an Sie erinnert als an den Mann, der die Eclipse besiegte«, sagte Julian mit maliziöser Kälte. »Statt dessen werden Sie sterben. Es wird lange dauern, Captain Marsh. Sie sind für mich viel zu häßlich. Ich schenke Sie an Billy weiter, damit er den Geschmack des Blutes kennenlernt und sich daran gewöhnt. Vielleicht sollte der liebe Joshua auch ein Glas voll bekommen. Es würde ihm guttun.« Er lächelte. »Und was Ihr Dampfschiff angeht, Captain Marsh, machen Sie sich deshalb keine Sorgen. Ich werde mich gut darum kümmern, wenn Sie nicht mehr unter den Lebenden weilen. Niemand auf dem Fluß wird jemals Ihre Fiebertraum vergessen.«

KAPITEL SIEBENUNDZWANZIG
 
An Bord des Raddampfers Ozymandias Mississippi River, Oktober 1857
     
     
    D ie Dämmerung brach gerade an, als Abner Marsh aus der Kapitänskajüte geholt wurde. Der Morgennebel lag wie ein Tuch auf dem Fluß, graue Dunstschleier schwebten und tanzten wie Rauchschwaden über dem Wasser und schlängelten sich zwischen den Geländern und Säulen des Dampfers hindurch und zuckten und wanden sich dabei wie lebende Wesen, die bald vom Licht der Morgensonne verbrannt werden und verenden sollten. Damon Julian sah den rosigen Schimmer im Osten und blieb im Halbdunkel seiner Kabine. Er schob Marsh durch die Tür. »Bring den Kapitän in seine Kabine, Billy«, sagte er, »setz ihn dort fest bis zum Einbruch der Dunkelheit. Würden Sie uns die Ehre geben und uns beim Abendessen Gesellschaft leisten, Captain Marsh?« Er lächelte. »Ich wußte, Sie würden kommen.«
    Sie warteten draußen. Sour Billy, in einem schwarzen Anzug und einer karierten Weste, saß in seinem Sessel, dessen Lehne er gegen die Wand gekippt hatte, auf dem Texasdeck und säuberte sich die Fingernägel mit seinem Messer. Er stand auf, als sich die Tür öffnete, warf das Messer lässig hoch und fing es wieder auf. »Jawohl, Sir, Mister Julian«, sagte er und richtete den Blick seiner eisfarbenen Augen auf Marsh.
    Er hatte zwei Begleiter mitgebracht. Die Angehörigen des Nachtvolkes, die Billy geholfen hatten, Marsh von der Eli Reynolds zu holen, hatten sich in ihre Kabinen zurückgezogen, um dem Kontakt mit der Morgensonne zu entgehen, daher hatte Billy, wie es schien, zwei Vertreter des Flußgesindels gerufen. Als Julian die Kabinentür schloß, traten sie vor. Einer war ein stämmiger Junge mit ausgefranstem braunen Schnurrbart, in dessen Gürtel, der aus einem einfachen Strick bestand, ein Eichenknüppel steckte.
    Der andere war ein Riese und das häßlichste verdammte Wesen, das Abner Marsh je gesehen hatte. Er mußte über zwei Meter groß sein, doch er hatte einen winzigen Kopf, verkniffene Augen, schartige Zähne und überhaupt keine Nase. Abner Marsh starrte ihn wie gebannt an.
    »Gaffen Sie Noseless nicht so aufdringlich an!« warnte Sour Billy. »Das ist nicht besonders höflich, Cap’n.« Als wollte er damit die Warnung unterstreichen, packte Noseless Marshs Arm und verdrehte ihn so grob, daß es weh tat. »Ein Alligator hat ihm die Nase abgebissen«, erklärte Sour Billy. »Es war nicht seine Schuld. Halt Cap’n

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