Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fiebertraum

Fiebertraum

Titel: Fiebertraum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R.R. Martin
Vom Netzwerk:
einen Prediger an Bord, aber das war nicht weiter schlimm, da sie keine graue Stute beförderten (es ging unter den Flußleuten die Rede, daß ein Prediger und eine graue Stute gleichzeitig auf einem Schiff Katastrophen geradezu magisch anzögen).
    Was die Mannschaft betraf, so war Marsh damit hochzufrieden. Lediglich die beiden Lotsen waren nichts Besonderes, doch die hatte er nur dazu angeheuert, um den Raddampfer nach St. Louis zu bringen, da sie den Ohio River kannten und die Fiebertraum den Dienst von New Orleans aus aufnehmen wollte. Er hatte bereits Briefe nach St. Louis und nach New Orleans abgeschickt, und im Planters’ House warteten schon zwei schnelle Lotsen für den Unterlauf des Mississippi auf ihn. Die restliche Mannschaft war mindestens genausogut wie jede andere gute Truppe von Flußfahrern auf jedem anderen Fluß, davon war Marsh überzeugt. Der Maschinist war Whitey Blake, ein hitziger kleinwüchsiger Mann, in dessen widerspenstigen weißen Schnurrbarthaaren stets Schmier- und Rußspuren von den Maschinen zu entdecken waren. Whitey war mit Abner Marsh auf der Eli Reynolds gefahren und später auf der Elizabeth A. und auf der Sweet Fevre , und es gab niemanden, der sich mit einer Dampfmaschine besser auskannte als er. Jonathon Jeffers, der Zahlmeister, trug eine goldgeränderte Brille und hatte glatt zurückgekämmtes braunes Haar und modische Knopfgamaschen, aber er war der reinste Schrecken, wenn es um Zahlen und ums Feilschen ging; er vergaß nichts, kannte jeden Trick im Frachtgeschäft und galt als gerissener Schachspieler. Jeffers hatte im Hauptbüro der Frachtlinie gearbeitet, bis Marsh ihn angeschrieben und aufgefordert hatte, seine Siebensachen zu packen und den Dienst auf der Fiebertraum anzutreten. Er hatte sich sofort auf den Weg gemacht; denn trotz seiner dandyhaften äußeren Erscheinung war Jeffers ein Flußmann bis auf den Grund seiner finsteren Krämerseele. Er führte auch stets einen Stockdegen mit goldenem Griff bei sich. Der Koch war ein freier Farbiger namens Toby Lanyard, der schon vierzehn Jahre lang bei Marsh arbeitete, seitdem er seine Kochkünste unten in Natchez- underthe-Hill kennengelernt, ihn gekauft und ihm danach die Freiheit geschenkt hatte. Und der Maat (er hieß Michael Theodore Dun-ne, nur nannte niemand ihn anders als Hairy Mike - außer den Schauerleuten, die ihn mit Mister Dunne Sir anredeten) war eine der imposantesten, bösartigsten und stursten Männer auf dem Fluß. Er war weit über sechs Fuß groß, hatte grüne Augen und einen schwarzen Schnurrbart und drahtiges krauses Haar auf den Armen, den Beinen und der Brust. Er fluchte in einem fort, war reizbar wie eine Klapperschlange und hatte, wo er ging und stand, stets seinen drei Fuß langen schwarzen Eisenknüppel bei sich. Abner Marsh hatte es nie erlebt, daß Hairy Mike jemanden damit geschlagen hatte, bis auf ein- oder zweimal, aber der Knüppel lag immer verborgen in seiner Hand, und es ging unter den Schauerleuten das Gerücht, daß er einmal einem Mann, der ein Brandyfaß in den Fluß hatte fallen lassen, den Schädel gespalten habe. Er war ein strenger, fairer Maat, und niemand ließ seine Last fallen, wenn er Aufsicht führte. Jedermann auf dem Fluß hatte verdammt großen Respekt vor Hairy Mike Dunne.
    Es war eine verflucht gute Mannschaft, diese Männer auf der Fiebertraum . Gleich vom ersten Tag an taten sie alle ihre Arbeit, so daß in dem Moment, als die Sterne über New Albany aufgingen, die Fracht verladen war und die Passagiere an Bord waren und alles auf Listen festgehalten war, der Dampf den nötigen Druck hatte und die Schornsteine in einem schrecklich schönen roten Licht erstrahlten und heiß genug waren, um das Hauptdeck mindestens genauso warm zu machen wie Natchez- under-the-Hill in einer Sommernacht, und in der Küche ein vorzügliches Mahl auf dem Herd stand. Abner Marsh überprüfte alles, und als alles zu seiner Zufriedenheit war, stieg er hinauf zum Ruderhaus, das erhaben und würdevoll über dem Chaos und dem Lärm des übrigen Schiffes zu schweben schien. »Holen Sie sie rückwärts raus«, wies er seinen Lotsen an. Und der Lotse rief nach unten, man solle Dampf machen, und stellte die beiden mächtigen Seitenräder auf Rückwärtslauf. Abner Marsh hielt zu seinem Lotsen respektvolle Distanz, und die Fiebertraum glitt behäbig hinaus in die schwarzen, von Sternen beschienenen Fluten des Ohio.
    Draußen auf dem Fluß änderte der Lotse die Drehrichtung der Schaufelräder

Weitere Kostenlose Bücher