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Fiebertraum

Fiebertraum

Titel: Fiebertraum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R.R. Martin
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Tipton ging nervös neben ihm her und musterte jeden, dem sie begegneten, mit argwöhnischen Blicken. Der Rest von Julians Gesellschaft folgte; Kurt und Cynthia gingen nebeneinander, während Armand den Schluß bildete, verstohlen und unruhig, bereits vom Durst gepeinigt. Michelle war im Haus geblieben.
    Die anderen waren nicht mehr da, hatten sich zerstreut, waren auf Julians Befehl mit dem einen oder anderen Dampfer flußaufwärts oder -abwärts unterwegs auf der Suche nach Geld, Sicherheit, einem neuen Versammlungsort. Damon Julian hatte endlich gehandelt.
    Das Mondlicht lag weich und hell auf dem Fluß wie Butter. Die Sterne funkelten. Entlang des Uferdeichs drängten sich die Raddampfer neben den Segelschiffen mit ihren hohen, stolzen Masten und zusammengerollten Leinensegeln. Neger schleppten Baumwolle und Zucker und Mehl von einem Schiff auf das andere. Die Luft war feucht und duftete süßlich, in den Straßen herrschte dichtes Gedränge.
    Sie fanden einen Tisch, von dem aus sie eine gute Aussicht auf das Getriebe hatten, und bestellten Milchkaffee und fritiertes Zuckergebäck, für das das Café berühmt war. Sour Billy biß in sein Gebäck und streute sich Puderzucker über die Weste und die Jackenärmel. Er fluchte laut.
    Damon Julian lachte, und sein Lachen war so sanft und geschmeidig wie das Licht des Mondes. »O Billy. Wie amüsant du bist!«
    Ausgelacht zu werden, haßte Sour Billy mehr als alles andere, aber er blickt auf in Julians Augen und zwang sich zu einem Grinsen. »Ja, Sir«, meinte er mit einem matten Kopfschütteln.
    Julian verzehrte sein Gebäck mit mehr Geschick, so daß kein Zuckerstäubchen weiße Spuren auf dem dunklen Grau seines Anzugs oder auf dem seidigen Glanz seiner scharlachroten Krawatte hinterließ. Nachdem er das letzte Stück vertilgt hatte, trank er von seinem Kaffee, während sein Blick über den Uferdeich huschte und zwischen den Passanten auf der Straße umherstreifte. »Dort«, sagte er knapp, »die Frau unter der Zypresse.« Die anderen folgten seinem Blick. »Ist sie nicht atemberaubend?«
    Es war eine Kreolin, die von zwei gefährlich aussehenden Gentlemen begleitet wurde. Damon Julian starrte sie an wie ein verliebter Schuljunge, sein blasses Gesicht faltenlos und heiter, sein Haar ein Wust feiner dunkler Locken, seine Augen groß und melancholisch. Doch sogar quer über den Tisch konnte Sour Billy die Hitze in den Augen spüren, und er fürchtete sich.
    »Sie ist einzigartig«, pflichtete Cynthia ihm bei.
    »Sie hat Valeries Haar«, fügte Armand hinzu.
    Kurt lächelte. »Wirst du sie nehmen, Damon?«
    Die Frau und ihre Begleiter entfernten sich und gingen nun an einem prachtvollen schmiedeeisernen Gitter entlang. Damon Julian beobachtete sie nachdenklich. »Nein«, sagte er schließlich, wandte sich wieder seinem Tisch zu und trank von seinem Milchkaffee. »Die Nacht ist noch zu jung, auf den Straßen herrscht zuviel Betrieb, und ich bin müde. Wir wollen noch etwas sitzenbleiben.«
    Armand sah niedergeschlagen und unruhig aus. Julian lächelte ihn kurz an, dann beugte er sich vor und legte eine Hand auf Armands Ärmel. »Wir werden trinken, ehe der Morgen anbricht«, versprach er. »Ich gebe dir mein Wort.«
    »Ich kenne ein Etablissement«, erklärte Sour Billy in verschwörerischem Ton, »ein richtig elegantes Haus mit einer Bar, roten Samtsesseln, guten Drinks. Die Mädchen sind allesamt bildhübsch, Sie werden sehen. Man kann für ein Zwanzig-DollarGoldstück die ganze Nacht da bleiben. Bis zum Morgen, wirklich.« Er kicherte. »Aber wenn sie bemerken, was passiert ist, sind wir längst über alle Berge, und außerdem ist es billiger, als schöne Mädchen zu kaufen. Jawohl, Sir.«
    Damon Julians schwarze Augen funkelten belustigt. »Billy macht mich noch zum Geizhals«, sagte er zu den anderen, »aber was würden wir ohne ihn tun?« Er schaute sich wieder gelangweilt um. »Ich sollte öfter in die Stadt gehen. Wenn man richtig satt ist, verliert man den Blick für andere Vergnügungen.« Er seufzte. »Kannst du es fühlen? Die Luft ist voll davon, Billy!«
    »Wovon?« fragte Sour Billy.
    »Leben, Billy.« Julians Lächeln verspottete ihn, aber Billy zwang sich, ebenfalls zu lächeln. »Leben und Liebe und Lust, gutes Essen und guter Wein, erfüllte Träume und Hoffnung, Billy. All das umgibt uns. Möglichkeiten.« Seine Augen funkelten. »Warum soll ich die Schönheit verfolgen, die eben an uns vorbeiging, wenn es so viele andere gibt, so viele andere

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