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Fiebertraum

Fiebertraum

Titel: Fiebertraum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R.R. Martin
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mit meiner großen Entdeckung änderte sich das Ziel meiner Sucher und ich begann nach weiteren Angehörigen meiner Rasse Ausschau zu halten. Anfangs setzte ich dazu Agenten ein und schrieb Briefe. Später, als wieder Frieden herrschte, reiste ich selbst über den Kontinent. So erfuhr ich auch, wie mein Vater umgekommen war. Wichtiger noch, in alten Aufzeichnungen fand ich Hinweise darauf, woher er stammte - oder zumindest woher zu stammen er behauptet hatte. Ich folgte der Spur durch das Rheinland, durch Preußen und Polen. Für die Polen war er ein dunkel in Erinnerung gebliebener, vielgefürchteter Einsiedler, von dem Urgroßeltern nur flüsternd gesprochen hatten. Einige meinten, er wäre ein teutonischer Ritter gewesen. Andere schickten mich noch weiter nach Osten bis hin zum Ural. Es machte keinen Unterschied; die teutonischen Ritter waren seit Jahrhunderten tot, und der Ural war ein riesiges Gebirge, zu weitläufig und unwegsam, als daß es einen Sinn gehabt hätte, wäre ich dort blindlings auf die Suche gegangen.
    Zu guter Letzt beschloß ich, ein Wagnis einzugehen. Einen auffälligen Silberring und ein Kreuz um den Hals tragend, die, wie ich hoffte, ausreichen würden, irgendwelches Gerede oder Mißtrauen gar nicht erst aufkommen zu lassen, begann ich mich ganz offen nach Vampiren und Werwölfen und anderen solcher Legenden zu erkundigen. Einige lachten mich aus und verspotteten mich, ein paar bekreuzigten sich und liefen davon, aber die meisten waren nur zu bereit, dem einfältigen Engländer als Gegenleistung für einen Drink oder eine Mahlzeit die Geschichten zu erzählen, die er so gerne hören wollte. Aus ihren Geschichten gewann ich meine Hinweise. Es war nicht einfach. Die Jahre vergingen während meiner Suche. Ich erlernte die polnische und die bulgarische Sprache und etwas Russisch. Ich las Zeitungen in einem Dutzend fremder Sprachen, suchte nach Todesfällen, zu denen es möglicherweise durch Auswirkungen des roten Durstes gekommen war. Zweimal war ich gezwungen, nach England zurückzukehren und mehr von meinem Getränk zusammenzubrauen und mich um meine persönlichen Angelegenheiten zu kümmern.
    Und schließlich fanden sie mich.
    Ich befand mich in den Karpaten, in einem primitiven Landgasthaus. Ich hatte einige Fragen gestellt, und die Nachricht von meinen Nachforschungen hatte schnell die Runde gemacht. Müde und niedergeschlagen und die ersten Anzeichen des Durstes spürend, hatte ich mich schon früh, noch lange vor Anbruch der Dämmerung, auf mein Zimmer zurückgezogen. Ich saß vor einem knisternden Feuer, sprach meinem Getränk zu, als ich ein Klappern hörte, von dem ich anfangs annahm, das es durch den Sturm ausgelöst wurde, der die reifbedeckten Fenster in ihren Rahmen erzittern ließ. Ich wandte mich um - im Raum war es bis auf den Schein des Feuers vollkommen dunkel -, und das Fenster wurde von außen geöffnet, und dort, als Silhouette vor dem schwarzen Himmel, vor dem Schnee und den funkelnden Sternen, stand ein Mann auf dem Sims. Er kam so geschmeidig herein wie eine Katze, verursachte kein Geräusch, als er auf den Fußboden heruntersprang, umgeben vom kalten Hauch des Winters; der draußen sein stürmisches Regiment führte. Er war düster, aber seine Augen glühten, Abner, sie glühten . »Sie wollen etwas über Vampire erfahren, Engländer«, flüsterte er in passablem Englisch, während er das Fenster leise hinter sich schloß.
    Es war ein beängstigender Augenblick, Abner. Vielleicht war es die Kälte von draußen, die den Raum füllte und mich zittern ließ, aber das glaube ich nicht. Ich betrachtete diesen Fremden, wie so viele Angehörige Ihrer Rasse mich gesehen hatten, ehe ich mich auf sie stürzte und mich an ihrem Blut labte; dunkel und mit glühenden Augen und furchterregend, ein Schatten mit Zähnen, der sich katzenhaft bewegte und sich in einem unheimlichen Flüstern verständigte. Als ich mich anschickte, mich aus meinem Sessel zu erheben, trat er vor ins Licht. Ich sah seine Fingernägel. Es waren Klauen, fünf Zoll lang, die Enden schwarz und messerscharf. Dann sah ich auf und in sein Gesicht. Es war ein Gesicht, das ich in meiner Kindheit gekannt hatte, und während ich es weiterhin anschaute, fiel mir auch der dazugehörige Name ein. »Simon«, sagte ich.
    Er hielt inne. Unsere Blicke trafen sich.
    Sie haben schon mal in meine Augen geschaut, Abner. Ich glaube, Sie haben die Kraft darin gesehen, und vielleicht auch andere, dunkle Dinge. So ist es bei

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