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Fiebertraum

Fiebertraum

Titel: Fiebertraum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R.R. Martin
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Mixturen herzustellen.
    Was soll ich Ihnen davon erzählen? Es dauerte Jahre, endlose Experimente, langwierige Studien. Ich verwendete menschliches und tierisches Blut, Metalle und Chemikalien aller möglichen Arten. Ich kochte Blut, trocknete es, trank es roh, mischte es mit Wermut, Brandy, mit übelriechenden medizinischen Konservierungsmitteln, mit Kräutern, Salzen, Eisen. Ich trank tausend Mixturen ohne jeden Erfolg. Zweimal wurde mir davon todschlecht, so daß mein Magen revoltierte und sich verkrampfte, bis ich die Mischung herauswürgte, die ich verschluckt hatte. Es war immer fruchtlos. Ich konnte Mixturen und Gläser voller Blut und Drogen hundertfach konsumieren, doch immer noch trieb der rote Durst mich hinaus auf meine nächtliche Jagd. Ich tötete nun ohne Schuldgefühle, wußte ich doch, daß ich eine Antwort suchte, daß ich irgendwann meine tierische Natur unter Kontrolle hätte. Ich verzweifelte nicht, Abner.
    Und schließlich und endlich, im Jahr 1815, fand ich die Antwort.
    Einige meiner Mixturen hatten eine bessere Wirkung als andere, und mit denen hatte ich weitergearbeitet, hatte sie verbessert, die eine oder andere Änderung damit vorgenommen, geduldig, immer eine nach der anderen ausprobiert und gleichzeitig ständig nach neuen Wegen gesucht. Die Kombination, die ich am Ende schuf, enthielt als Basis Schafsblut in großen Mengen, gemischt mit einer reichlichen Portion Alkohol, der dazu diente, die Stoffe zu konservieren, glaube ich. Doch diese Beschreibung vereinfacht das Ganze bei weitem. Auch ein reichlicher Anteil Laudanum gehörte dazu, zur Beruhigung und Erzeugung schöner Visionen, plus Pottasche und Eisen und Wermut und verschiedene Kräuter und längst vergessen geglaubte alchemistische Zubereitungen. Drei Jahre lang hatte ich danach gesucht, und eines Nachts im Sommer 1815 trank ich die Mixtur, wie ich es mit anderen Mischungen schon so häufig getan hatte. In dieser Nacht überfiel mich der rote Durst nicht.
    In der folgenden Nacht spürte ich die beginnende hitzige Ruhelosigkeit, die das Herannahen des Durstes anzeigt, und schenkte mir ein Glas von meinem Drink ein und leerte es voller Angst, daß mein Triumph, nur ein Traum, eine Einbildung war. Aber das Gefühl verflog. Auch in dieser Nacht litt ich nicht unter dem Durst und zog nicht hinaus, um zu jagen und zu töten.
    Ich machte mich sofort ans Werk und produzierte die Substanz in größeren Mengen. Es ist nicht immer leicht, sie genau hinzubekomnen, und wenn die Mischung nicht exakt stimmt, dann hat sie keine Wirkung. Ich arbeitete jedoch äußerst gewissenhaft. Und das Ergebnis haben Sie ja selbst gesehen, Abner. Mein Spezialgetränk. Es befindet sich immer in meiner Reichweite, Abner, ich hatte etwas erreicht, was noch nie zuvor ein Angehöriger meiner Rasse versucht hatte, obgleich ich es damals in meiner Begeisterung noch gar nicht erkannte. Ich hatte den Beginn einer neuen Epoche ebenso für mein Volk wie auch für das Ihre ermöglicht. Dunkelheit, die keine Angst mehr erzeugt, ein Ende für den Jäger und die Beute, kein Verstecken mehr und keine Verzweifelung. Keine Nacht mehr, in der Blut floß und denkende Wesen sich in Tiere verwandelten. Abner, ich hatte die Beherrschung des roten Durstes erlangt!
    Jetzt weiß ich, daß ich außerordentlich viel Glück gehabt hatte. Mein Verständnis war nur oberflächlich und ziemlich begrenzt. Ich dachte, daß die Unterschiede zwischen unseren Rassen allein im Blut zu suchen waren. Später erst erfuhr ich, wie sehr ich mich geirrt hatte. Ich glaubte, daß der Überschuß an Sauerstoff irgendwie für die Art und Weise verantwortlich war, in der der rote Durst durch meine Adern raste. Heute denke ich jedoch, daß der Sauerstoff meiner Rasse die Kraft verleiht und uns hilft, von schweren Verletzungen und Wunden zu genesen. Vieles von dem, was ich 1815 für wesentliche Erkenntnisse hielt, ist nach meinem heutigen Wissen reiner Unsinn. Aber das ist nicht so wichtig, denn meine Lösung des Problems war kein Unsinn.
    Ich habe seitdem auch wieder getötet, Abner, das will ich gar nicht leugnen. Aber in der Weise, wie Menschen töten, aus menschlichen Gründen. Und seit jener Nacht in Schottland im Jahr 1815 habe ich kein Blut mehr zu mir genommen oder die Qualen des roten Durstes verspürt.
    Ich hörte nicht auf zu lernen, bis heute nicht. Wissen hat für mich Schönheit, und ich genieße alle Arten von Schönheit, und es gab noch so viel über mich und mein Volk zu erfahren. Aber

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