Fieses Karma
diesem Wochenende auch geschieht – am Montag muss ich mich alldem wieder stellen. Der Erniedrigung. Seiner Zurückweisung. Meinem gebrochenen Herzen. Und was das Schlimmste ist: dem Gefühl der vollkommenen Hilflosigkeit. Dem Wissen, dass das, was Heather und Mason mir angetan haben, zwar superfies war, ich aber absolut nichts dagegen tun kann.
Am nächsten Morgen sitzen Mom und ich in einem Kreis von ungefähr fünfzehn Leuten mitten im Zen-Garten 1, während ein lebhafter Mann mittleren Alters, der Rajiv heißt und ein wallendes weißes Wickeloberteil mit der dazu passenden Hose trägt, barfuß im Gras um uns herumläuft. Jedes Wort aus seinem Mund schwingt perfekt im Einklang mit seinen gemessenen Schritten und seinen eleganten Handbewegungen.
»Das Leben ist ein Balanceakt!«, sagt er fest mit starkem, melodiösem indischen Akzent, während er hinter mir vorbeigeht. »Für alles im Universum gibt es ein gleichwertiges Gegenstück.« Er streckt die Hände flach vor sich aus und dreht sie dann um, als wolle er das Konzept der Gegensätzlichkeit nachahmen. Als hätten wir noch nie was davon gehört.
Ich sehe meine Mutter an, die gedankenschwer nickt, und verdränge das Verlangen, die Augen zu verdrehen, weil uns hier von einem Mann, der wie in einer Waschmittelwerbung für das weißeste Weiß herumläuft, erzählt wird, wie wir unser Leben zu leben haben.
»Das Universum bringt sich selbst ins Gleichgewicht, indem es von allem ein Spiegelbild erschafft. Und auch wir müssen versuchen, ein Gleichgewicht im Leben zu erschaffen.«
Ich werfe einen Blick auf meine Armbanduhr. Nur noch zwei Stunden, dann bin ich hier so was von weg. Zurück in der realen Welt, wo regelmäßig Fleisch und Käse auf dem Tisch stehen. Wo Männer keine Sarong-Togas tragen. Und wo nicht jeder Gedanke, der einem kommt, analysiert, bejubelt und freigesetzt werden muss.
»Zum Glück«, fährt Rajiv leidenschaftlich fort, »gibt es Kräfte im Universum, die uns helfen, dieses Gleichgewicht herzustellen.«
Ich stecke mir die Spitze meines Zeigefingers in den Mund und konzentriere mich darauf, einen abgebrochenen Fingernagel mit den Zähnen zu glätten.
»Kräfte, deren einziger Zweck es ist, das ständige Gleichgewicht zwischen Zeit und Raum als Ganzes zu erhalten.« Rajiv gestikuliert wie ein Wilder, als könnte er etwas beweisen, indem er die Luft um seinen Körper herumwirbelt.
Verdammt, der Nagel ist hartnäckig , denke ich und kaue entschlossen darauf herum.
»Diesen Kräften wurden im Lauf der Zeit Namen gegeben. Einer der bekanntesten und am meisten verbreiteten Namen für diesen Balanceakt ist natürlich das Karma .«
Ich lasse den Finger sinken und sehe ihn neugierig an. Da ist es wieder aufgetaucht. Dieses komische Karma-Dingsbums, das Jade neulich schon mal erwähnt hat. Was hat es mit diesem Begriff auf sich?
»Doch was manche Leute Karma nennen, ist in Wirklichkeit nur die starke Energie, die dem Universum Harmonie verleiht. Es ist die Summe all dessen, was ein Einzelner getan hat, jetzt gerade tut und tun wird. Damit am Ende das Ungleichgewicht im Universum ausgeglichen wird.«
Hmmm , denke ich, während ich ihm zuhöre. Die Summe aller Dinge, die ein Einzelner getan hat und noch tun wird. Wie ein Bankkonto. Die Nettobilanz deiner Einzahlungen und Auszahlungen. Jeder, der Geld von seinem Konto abhebt, wird irgendwann eine Einzahlung leisten müssen. Das macht Sinn. Obwohl das auch bedeutet, dass Mason und Heather ihren Überziehungskredit beim Karma stark beansprucht haben.
Rajiv spricht weiter: »Die Auswirkungen sämtlicher Taten schaffen frühere, jetzige und zukünftige Erfahrungen und ziehen einen daher für sein eigenes Leben zur Verantwortung – und für den Schmerz und die Freude, die es anderen bringt.«
Moment mal. Eine Sekunde lang höre ich auf zuzuhören, während ich versuche, seine letzten Worte zu verdauen. Ziehen einen für sein eigenes Leben zur Verantwortung – und für den Schmerz und die Freude, die es anderen bringt .
Das ist es! Mason sollte für das, was er mir angetan hat, zur Verantwortung gezogen werden. Das wäre nur fair. Sein Ungleichgewicht im Universum sollte ausgeglichen werden. Genau so, wie der Typ hier es sagt.
Bisher habe ich immer gedacht, Karma sei nur ein praktisches Instrument, damit wir uns bei dem, was in der Welt vorgeht, besser fühlen. Ihr wisst schon, so wie Jade sagte, dass Mason kriegt, was er verdient. Böse Taten werden bestraft. Aber vielleicht geht es ja noch
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