Fieses Karma
scheint sich über meine Neugier zu freuen, denn sie antwortet mit sanfter, ruhiger Stimme: »Das ist Buddha, mein Kind.«
Mein Kind? Oh bitte. Wo sind wir hier?
Ich nicke, als wüsste ich genau, wovon sie spricht, obwohl ich nur wenig über Buddha weiß.
»Sind Buddhas nicht viel dicker – eigentlich?«, antworte ich.
Meine Mutter wirft mir einen warnenden Blick zu, doch ich lächle nur zurück. Hey, schließlich war es ihre Idee, an diesen »erleuchteten« Ort zu kommen. Vielleicht bin ich ja viel »erleuchteter«, als alle denken.
Die Frau übergeht meinen sarkastischen Ton. »Ja, manchmal wird er in einer Weise dargestellt, die man in der westlichen Welt als dick empfindet.« Sie betont das Wort so, als würde es gar nicht wirklich existieren und als hätte sie es nur verwendet, um eine Beziehung zu der Ebene, auf der ich mich ihrer Ansicht nach befinde, herzustellen. So wie andere Erwachsene sich an Begriffen wie echt fett oder voll krass vergreifen.
»Aber Buddha wird auch so dargestellt wie hier«, fährt sie fort und tätschelt den großen spitzen Hut der Statue. »Und seinen Bauch reiben soll Glück bringen.«
Ich werfe einen letzten Blick auf die Buddha-Statue und murmle: »Vielleicht später.«
Als Nächstes folgen Mom und ich einer anderen in eine weiße Sarong-Toga gehüllten Frau, die uns dreißig Minuten lang über das Gelände führt. Sorry, ich meine natürlich durch das »spirituelle Zentrum«.
»Viele kommen hierher, um mit Schmerz, Verlust, Stress oder einem Todesfall in der Familie fertig zu werden«, erklärt sie uns, während wir durch Zen-Garten 2 wandern, der Zen-Garten 1 erstaunlich ähnlich sieht. »Dies ist ein Ort, an dem man Frieden mit der Welt um sich herum schließen kann.«
»Es ist wunderschön hier«, sagt meine Mutter. Sie atmet tiefein und tut so, als hätte sie noch nie frische Luft geatmtet. Dann wendet sie sich mir zu. »Ist es nicht schön hier?«
Ich zucke mit den Schultern. »Es ist ganz okay.«
»Unser Ziel ist«, fährt die Frau fort, »dass jeder erfrischt und verjüngt von hier fortgeht, nachdem er seine Seele vom Schmutz des alltäglichen Lebens gereinigt hat. So wie sich die Erde nach einem reinigenden Gewitter anfühlt.«
Die Frau sagt es so, als würde sie ein Gedicht oder so was zitieren, und ich muss ein Lachen unterdrücken, weil ich genau weiß, dass das bei meiner Mutter nicht gut ankommen würde.
Am Ende des ersten Tages kann ich mit relativer Sicherheit sagen, dass ich nicht zur Zielgruppe dieses Zentrums gehöre. Alle Kurse, die ich widerstrebend absitze, werden nur von zwei Arten von Teilnehmern bevölkert: 1. Hippies aus Nordkalifornien, die Orte wie diese aus Spaß aufsuchen (was für den einen eine spirituelle Zuflucht für sein inneres Wachstum ist, ist für den anderen ein Vergnügungspark), und 2. esoterisch veranlagte Opfer einer Lebenskrise, die ihre Richtung verloren haben und wieder auf den richtigen Weg gebracht werden wollen.
Und dann bin da noch ich. Der einzige Mensch im Raum, der lieber E! sehen würde. Es tut mir herzlich leid, aber Yoga in einem Zimmer zu machen, in dem es über dreißig Grad heiß ist, in dem mir der Schweiß übers Gesicht strömt und ich mich fühle, als könnte ich jeden Moment ohnmächtig werden, ist nicht gerade das, was ich mir unter einem freien Samstag vorstelle. Und das hundertprozentig vegane Bioessen, das sie hier zu den Mahlzeiten (und selbst zum Nachtisch) servieren, ist so appetitlich, wie es klingt.
Als ich abends endlich in das fremde Bett krieche und mich in die kratzige Ökodecke einhülle, denke ich an nichts anderes als daran, dass ich in weniger als vierundzwanzig Stunden wieder in meinem eigenen Zimmer sein werde, mein eigenes sahnig-leckeresEssen genießen werde und wieder mit Leuten reden kann, die nicht dauernd Begriffe wie Einssein und Selbstliebe und Tao benutzen (das übrigens mit einem D ausgesprochen wird, wie ich gelernt habe. Was die Frage aufwirft, warum man es nicht gleich Dao schreibt).
Hat meine Mutter ernsthaft geglaubt, sie bräuchte mich nur hierherzuzerren und all meine Probleme würden sich in Luft auflösen? Dachte sie wirklich, dass ich nach zwei Tagen, in denen ich meinen Körper in höchst unnatürliche Stellungen falte, Käsekuchen aus Tofu esse und Leuten zuhöre, die das Wunder des inneren Friedens predigen, plötzlich nicht mehr von Masons Verrat gequält werde? Hat sie denn völlig vergessen, wie es ist, in die Highschool zu gehen?
Denn egal was hier an
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