Fieses Karma
was ich gerade durchmache, aber mir war klar, dass er es ganz und gar nicht versteht. Wie könnte er auch, wenn ich ihm keinen einzigen Hinweis liefere?
Spencer setzte sich auf mein Bett und bat mich mit einer Geste, mich neben ihn zu setzen. Ich setzte mich gehorsam hin. Dann legte er die Arme um mich und hielt mich einfach fest. Ich verbarg mein Gesicht in seinem warmen Nacken. Seine kurzen Haare kitzelten meine Nase. Ich tat alles in meiner Macht, um nicht loszuheulen, aber es half nichts. Die Tränen flossen, und Spencer hielt mich noch fester, während er mir ins Ohr flüsterte: »Maddy, du brauchst nicht zu weinen. Alles wird gut. Was immer es auch ist, es wird wieder in Ordnung kommen.«
Daraufhin heulte ich nur noch mehr, denn ich bin mir da nicht so sicher. Auch wenn Spencer mich nur trösten wollte, machte er damit alles nur noch schlimmer. Warum musste er so nett zu mir sein? Warum konnte er nicht einfach wütend werden und zur Tür hinausstürmen? Das hätte es mir sicher viel leichter gemacht.
Während ich nun auf dem weißen Sofa in dieser makellos weißen Empfangshalle sitze, kann ich den Gedanken daran, wie Spencer mich umarmt und getröstet hat, nicht länger ertragen. Es tut zu weh. Ich sehe mich nach Lesestoff um, weil ich dringend Ablenkung brauche. Doch alles, was ich finde, sind ein paar esoterische Bücher, die vor mir auf einem Tischchen ausgebreitet sind. Ich nehme eins in die Hand und blättere darin.
Nachdem ich einen Abschnitt gefunden habe, der mit dem Satz anfängt: »Als menschliche Wesen liegt es in unserer Natur, Fehler zu machen …«, klappe ich das Buch stöhnend wieder zu. Genau das brauche ich jetzt – ein Buch, das mich daran erinnert, wie sehr ich mein Leben verpfuscht habe. Ich werfe es zurück auf den Couchtisch, stehe auf und wende mich noch einmal an die Dame am Empfang. Ich frage sie höflich, ob sie auch »normalen« Lesestoff wie People Magazine oder Trend Girl haben.
Sie sieht mich so komisch an, als hätte sie von diesen Zeitschriften noch nie gehört, und schüttelt den Kopf. Also setze ich mich wieder hin.
Aus zehn Minuten wird eine Stunde, und aus einer zähen Stunde werden langsam zwei. Mittlerweile habe ich schon fünfzehn Mal auf mein Handy geschaut. Fünf Mal wegen der Uhrzeit und zehn Mal, um zu sehen, ob Angie oder Jade angerufen oder gesimst haben. Wahrscheinlich hätte ich mein Handy noch zwei Dutzend Mal gecheckt, wenn die Empfangsdame mich nicht freundlich daran erinnert hätte, dass Handys im Spirituellen Zentrum für inneres Wachstum nicht erlaubt sind.
Endlich sind die drei Stunden um. Rajiv taucht aus einer Tür zu meiner Linken auf und biegt in einen langen Flur ein. Ich springe auf die Füße und renne ihm nach. »Rajiv?«, rufe ich.
Er bleibt stehen und dreht sich um. Als er mein Gesicht sieht, scheint er mich – im Gegensatz zu der Frau am Empfang – sogar wiederzuerkennen und lächelt herzlich. »Ja?«
Ich stehe unsicher vor ihm und sage: »Hi, ich weiß nicht, ob Sie sich noch an mich erinnern, aber ich war vor ein paar Monaten mit meiner Mutter hier und ich habe Ihren Vortrag über Karma und Gleichgewicht und so gehört und …«
Mit demselben tiefen, melodischen indischen Akzent, der mir noch vertraut ist, erwidert er: »Ja. Du hast mich nach meinem Yin-Yang gefragt.« Er streicht sich liebevoll über das Amulett, das an seinem Hals baumelt.
Ich werfe einen Blick darauf und verspüre sofort den Drang, es von seinem geflochtenen Band herunterzureißen und ihm zu sagen, dass das alles nur Betrug ist. Dass dem Universum das Gleichgewicht piepegal ist. Dass das Universum mir einzig und allein das Leben kaputt machen will. Doch ich widerstehe dem Verlangen und sehe ihn wieder an. »Ja, äh, ich wollte fragen, ob Sie vielleicht kurz Zeit haben, weil ich Sie gerne ein paar Dinge über dieses Gleichgewicht des Universums fragen würde. Es scheint nämlich nicht ganz so zu funktionieren, wie Sie gesagt haben.«
Fast wirkt Rajiv, als würde es ihn amüsieren, das zu hören. »Nicht?«, fragt er.
Ich schüttle den Kopf. »Nein.«
Er sieht mich mit gütigen, väterlichen Augen an und ich merke, dass ich ihm leidtue. Denn vermutlich ist ihm klar, dass ich mit meinem Anliegen nirgendwo sonst hingehen kann.
Was der Wahrheit entspricht.
Er zeigt auf eine Tür. »Warum gehen wir nicht in den Meditationsraum, und du erzählst mir mehr?«
Das Raum-Zeit-Kontinuum
Wir gehen in einen kleinen Raum und Rajiv zeigt auf eine wattierte Matte auf dem
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