Fiesta
solche beleidigenden Dinge sagen kann. Man hat das Gefühl, daß die Welt einfallen müsse, tatsächlich einfallen, wenn man gewisse Dinge sagt. Aber Cohn steckte alles ein. Das alles ging hier direkt unter meinen eigenen Augen vor sich, und ich fühlte nicht einmal die leiseste Regung, es zu verhindern. Und dies war freundschaftlicher Ulk gegen das, was dann kam.
«Wie kannst du so etwas sagen, Frances?» unterbrach sie Cohn.
«Hör nur mal zu. Ich fahre nach England. Ich besuche Freunde. Hast du schon mal Freunde besucht, die dich gar nicht wollen? Stimmt, sie müssen mich aufnehmen. ‹Wie geht’s, meine Liebe? Haben uns lange nicht gesehen. Und wie geht es deiner lieben Mutter?› Ja, wie geht es meiner lieben Mutter? Sie legte ihr ganzes Geld in französischer Kriegsanleihe an. Ja, hat sie. Vielleicht der einzige Mensch auf der ganzen Welt. ‹Und was macht Robert?› Oder sonst ein sehr vorsichtiges Herumgehen um Robert. ‹Du mußt dich sehr in acht nehmen, meine Liebe, und ihn nicht erwähnen. Die arme Frances hat eine sehr unglückliche Erfahrung hinter sich.› Wird es nicht nett sein, Robert? Glaubst du nicht auch, Jake?»
Sie wandte sich mit ihrem entsetzlich strahlenden Lächeln mir zu. Es beglückte sie, für all dies ein Publikum zu haben.
«Und was wird aus dir, Robert? Meine Schuld, schön. Ganz meine Schuld. Als ich dich damals dazu brachte, die kleine Sekretärin, die du bei der Zeitschrift hattest, zu entlassen, hätte ich wissen müssen, daß du mich ebenso loswerden würdest. Davon weiß Jake gar nichts. Soll ich’s ihm erzählen?»
«Um Himmels willen, Frances, hör schon auf.»
«Ja, ich erzähl’s ihm. Robert hatte eine kleine Sekretärin bei der Zeitschrift. Einfach eine süße kleine Person, und er fand sie fabelhaft, und dann erschien ich auf der Bildfläche, und er fand mich auch einfach fabelhaft. Und dann sorgte ich dafür, daß er sie entließ, und er hatte sie aus Carmel nach Provincetown gebracht, als die Zeitschrift übersiedelte, und er bezahlte ihr nicht einmal die Reisekosten an die Küste zurück. Alles mir zu Gefallen. Damals war schon was an mir dran. Nicht wahr, Robert?
Du mußt es nicht mißverstehen, Jake, mit der Sekretärin, das war absolut platonisch. Nicht mal platonisch. Eigentlich überhaupt nichts. Einfach nur, daß sie nett war. Und er hat es nur mir zu Gefallen getan. Nun, ich nehme an, daß wir, die das Schwert führen, auch durch das Schwert umkommen. Ist das nicht hohe Literatur? Vielleicht merkst du’s dir für dein nächstes Buch, Robert!
Weißt du schon, daß Robert Material für ein neues Buch sammelt? Nicht wahr, Robert? Darum verläßt er mich. Er findet, daß ich mich nicht gut verfilmen lasse. Weißt du, er war mit seinem Buch, als wir zusammen lebten, so beschäftigt, daß er sich auf gar nichts mehr besinnt. Also zieht er jetzt aus, um Material zu sammeln. Na, ich hoffe, er findet etwas furchtbar Aufregendes.
Hör mal zu, Robert, Liebling, ja? Eines will ich dir sagen, du wirst mir’s ja nicht weiter verübeln. Mach nur keine Szenen mit deinen Freundinnen. Wenigstens versuch es! Weil du keine Szenen haben kannst, ohne zu weinen, und dann tust du dir selbst so wahnsinnig leid, daß du dich nachher nicht mehr auf das, was der andere sagte, besinnen kannst. Du wirst auf diese Art nie irgendwelche Gespräche behalten. Versuch doch ruhig zu bleiben; ich weiß, wie schwer es ist… Aber bedenke, es handelt sich um die Literatur. Wir müssen alle der Literatur zuliebe Opfer bringen. Sieh mich an. Ich fahre ohne Protest nach England. Alles für die Literatur. Findest du nicht, Jake? Aber du bist eigentlich kein junger Schriftsteller mehr, nicht wahr, Robert? Du bist vierunddreißig. Aber ich glaube doch, für einen großen Schriftsteller ist das jung. Sieh mal Hardy an. Sieh mal Anatole France an. Er starb vor gar nicht so langer Zeit. Trotzdem findet Robert ihn nicht bedeutend. Ein paar seiner französischen Freunde haben es ihm gesagt. Er selbst liest nicht sehr gut Französisch. Nicht wahr, Robert, er kann als Schriftsteller gar nicht an dich tippen? Glaubst du, daß er sich je nach Material umsehen mußte? Was meinst du wohl, was er zu seinen Mätressen gesagt hat, wenn er nicht heiraten wollte? Ob er wohl auch geweint hat? Ach, eben fällt mir was ein.» Sie hob ihre behandschuhte Hand an den Mund. «Ich weiß jetzt den wahren Grund, warum Robert mich nicht heiraten will. Jake, eben ist es mir eingefallen. Im Café Sélect hatte ich die
Weitere Kostenlose Bücher