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Fiesta

Fiesta

Titel: Fiesta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
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drehen würde. Wenn ich weiterlas würde dieses Gefühl vorübergehen.
    Ich hörte Brett und Robert Cohn die Treppe heraufkommen. Cohn sagte ihr vor der Tür gute Nacht und ging dann in sein Zimmer. Ich hörte, wie Brett ins Nebenzimmer trat. Mike war schon im Bett. Er war mit mir vor einer Stunde heraufgekommen. Er wachte auf, als sie kam, und sie unterhielten sich. Ich hörte sie lachen. Ich drehte das Licht aus und versuchte einzuschlafen. Ich brauchte nicht mehr zu lesen. Ich konnte die Augen schließen, ohne das Gefühl zu haben, daß sich alles drehe. Aber ich konnte nicht schlafen. Es gibt keinen Grund, die Dinge in der Dunkelheit anders anzusehen als bei Tageslicht. Verdammt noch mal, nein!
    Ich hatte mir das einmal alles zurechtgelegt und hatte sechs Monate bei elektrischem Licht geschlafen. Das war eine Glanzidee gewesen. Zum Teufel mit den Weibern, auf jeden Fall. Zum Teufel mit dir, Brett Ashley!
    Frauen konnten fabelhafte Freunde sein. Fabelhaft. Zuerst muß man mal in eine Frau verliebt sein, damit die Basis für eine Freundschaft hergestellt ist. Brett war mein Freund gewesen. Ich hatte mich nicht an ihre Stelle gedacht. Ich hatte etwas umsonst bekommen. Aber das schob nur die Unterbreitung der Rechnung hinaus. Die Rechnung kam immer. Das war eine der todsicheren Sachen, auf die man sich verlassen konnte.
    Ich dachte, ich hätte für alles bezahlt. Nicht wie eine Frau zahlt und zahlt und zahlt. Ohne die Idee der Vergebung oder der Strafe. Nur Austausch der Werte. Man gab etwas auf und bekam etwas anderes dafür. Oder man arbeitete für etwas. Auf irgendeine Weise bezahlte man alles, was den geringsten Wert besaß. Ich erkaufte mir meinen Weg zu genügend Dingen, die mir Vergnügen machten, so daß ich mich nicht zu beklagen brauchte. Entweder bezahlte man mit einer Erkenntnis oder einer Erfahrung, oder indem man etwas riskierte oder mit Geld. Das Leben genießen, hieß, für alles einen Gegenwert erhalten und sich darüber klar sein, wenn man ihn besaß. Man konnte für sein Geld Entsprechendes bekommen. Die Welt war schon ein geeigneter Platz zum Einkaufen. Dies schien mir eine gute Philosophie zu sein. In fünf Jahren, dachte ich bei mir, wird sie mir genauso dumm vorkommen wie alle meine früheren Philosophien.
    Aber vielleicht war es doch nicht wahr. Vielleicht lernte man doch zwischendurch etwas hinzu. Mir war es gleich, woraus es bestand. Ich wollte nur wissen, wie man sich das Leben in dieser Welt einrichten sollte. Schon möglich, daß, wenn man zu leben wußte, man auf den Sinn des Ganzen schließen konnte.
    Ich wünschte jedoch, Mike hätte sich nicht so grauenhaft gegen Cohn benommen. Mike war ein entsetzlicher Säufer. Brett ein guter. Bill ein guter. Cohn war niemals betrunken. Mike wurde, nachdem er einen bestimmten Punkt überschritten hatte, unangenehm. Mir machte es Spaß, wenn er Cohn beleidigte. Mir wäre es aber doch lieber gewesen, wenn er es unterlassen hätte, denn nachher schämte ich mich über mich selbst. Das war Moral: Dinge, die einem nachher peinlich waren. Nein, das mußte eher Unmoral sein. Das war eine große Feststellung. Was für eine Unmenge Quatsch ich so bei Nacht zusammendenken konnte. Was für einen Unsinn, hörte ich Brett sagen. Was für einen Unsinn. Wenn man mit Engländern zusammen war, fing man an, sich im Denken englischer Ausdrücke zu bedienen. Die gesprochene englische Sprache – auf jeden Fall die der oberen Klassen – hatte anscheinend weniger Worte als die der Eskimos. Natürlich wußte ich nichts über Eskimos. Vielleicht ist Eskimo eine sehr schöne Sprache. Also sagen wir lieber cherokesisch. Ich wußte auch nichts über cherokesisch. Die Engländer gaben ihren Sätzen einen bestimmten Tonfall. So bedeutete ein Satz vielerlei. Trotzdem mochte ich sie gern. Ich mochte, wie sie sprachen. Zum Beispiel Harris. Andererseits gehörte Harris nicht zu den oberen Klassen.
    Ich drehte das Licht wieder an und las. Ich las Turgenjew. Ich wußte, daß ich mich in meinem überreizten Zustand nach viel zuviel Alkohol auf das jetzt Gelesene in irgendeinem Augenblick mal besinnen und glauben würde, daß es mir alles selbst passiert sei. Das würde ich mein Lebtag nicht vergessen. Das war eine andere gute Sache, für die man bezahlte und die man dann besaß. Etwas vor Anbruch der Dämmerung schlief ich ein.
    Die nächsten zwei Tage im Pamplona verliefen ruhig und ohne Krach. Die Stadt bereitete sich auf die Fiesta vor. Arbeiter errichteten Torpfosten, die die

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