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Fiesta

Fiesta

Titel: Fiesta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
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Michael, sei nicht so dumm.»
    «Er nennt sie Circe», sagte Mike. «Er behauptet, daß sie Männer in Schweine verwandelt. Verdammt gut, nicht? Wünschte, ich wäre einer dieser Dichterjünglinge.»
    «Weißt du, er ist ganz begabt», sagte Brett. «Er schreibt einen guten Brief.»
    «Ich weiß», sagte ich. «Er hat mir aus San Sebastian geschrieben.»
    «Das war noch gar nichts», sagte Brett. «Er kann höchst amüsante Briefe schreiben.»
    «Sie hat von mir verlangt, daß ich schreibe. Sie schützte Krankheit vor.»
    «Ging mir auch verflucht schlecht.»
    «Also los», sagte ich. «Wir wollen reingehen und was essen.»
    «Wie soll ich mich gegen Cohn benehmen?» fragte Mike.
    «Tu so, als ob gar nichts gewesen ist.»
    «Von mir aus», sagte Mike, «ich bin nicht verlegen.»
    «Wenn er etwas sagt, sagst du einfach, daß du besoffen warst.»
    «Gut, und das Komische daran ist, ich glaube, ich war besoffen.»
    «Also los», sagte Brett, «ist das Giftzeug bezahlt? Ich muß vorm Essen baden.»
    Wir gingen über den Platz. Es war dunkel; rund um den Platz herum brannten die Lampen der Cafés unter den Arkaden. Wir gingen über den Kies unter den Bäumen ins Hotel.
    Die anderen gingen hinauf, und ich blieb stehen, um mich mit Montoya zu unterhalten.
    «Nun, wie haben Ihnen die Stiere gefallen?» fragte er.
    «Gut. Schöne Stiere.»
    «Sie gehen an», Montoya schüttelte seinen Kopf, «aber sie sind nicht übermäßig.»
    «Was gefiel Ihnen nicht?»
    «Ich weiß nicht. Ich hatte nur so das Gefühl, daß sie nicht so berühmt wären.»
    «Ich weiß, was Sie meinen.»
    «Sie sind schon gut.»
    «O ja, schon.»
    «Wie gefielen sie Ihren Freunden?»
    «Ausgezeichnet.»
    «Gut», sagte Montoya.
    Ich ging hinauf. Bill war in seinem Zimmer, stand auf seinem Balkon und sah auf den Platz. Ich stand neben ihm. «Wo ist Cohn?»
    «Oben in seinem Zimmer.»
    «Wie geht’s ihm denn?»
    «Natürlich scheußlich. Mike war entsetzlich. Er ist furchtbar, wenn er besoffen ist.»
    «Er war gar nicht so besoffen.»
    «Verdammt noch mal, nein. Ich weiß ja, was er getrunken hat, bevor wir ins Café kamen.»
    «Nachher wurde er sogar recht nüchtern.»
    «Schön, aber er war schrecklich. Gott weiß, ich mag Cohn wahrhaftig nicht leiden, und ich finde, es war blödsinnig von ihm, nach San Sebastian zu fahren, aber kein Mensch hat das Recht, so zu reden wie Mike.»
    «Wie findest du die Stiere?»
    «Toll. Auch toll, wie sie sie rauslassen.»
    «Morgen kommen die Muiras.»
    «Wann geht die Fiesta los?»
    «Übermorgen.»
    «Wir müssen aufpassen, daß Mike sich nicht immer so betrinkt. Solche Szenen sind unerträglich.»
    «Wir wollen uns mal lieber zum Essen zurechtmachen.»
    «Ja. Wird eine angenehme Mahlzeit werden.»
    «Wahrhaftig.»
    Tatsache war, daß das Abendessen richtig nett verlief. Brett trug ein schwarzes, ärmelloses Abendkleid. Sie sah wunderschön aus. Mike tat so, als ob nichts passiert war. Ich mußte hinaufgehen und Robert Cohn holen. Er war reserviert und zurückhaltend, und sein Gesicht war noch steif und bleich, aber zum Schluß wurde er ganz vergnügt. Er konnte kein Auge von Brett wenden. Es schien ihn glücklich zu machen. Wahrscheinlich war es für ihn ein angenehmes Gefühl, daß sie so schön aussah und daß er mit ihr zusammen gewesen war und daß wir anderen es alle wußten. Das konnte ihm keiner nehmen. Bill war furchtbar komisch. Michael auch. Sie waren wahnsinnig komisch zusammen.
    Es war so wie manches Essen im Krieg, an das ich mich erinnere. Viel Wein, eine ignorierte Spannung und das Gefühl von Dingen, die kommen würden und die man nicht verhindern konnte. Unter der Wirkung des Weins verlor ich mein Gefühl von Ekel und war glücklich.
    Sie schienen eigentlich alle ganz reizende Menschen zu sein.

7
    Ich weiß nicht mehr, um wieviel Uhr ich ins Bett kam. Ich erinnere mich, daß ich mich auskleidete, einen Bademantel überzog und auf den Balkon ging. Ich wußte, daß ich ziemlich betrunken war, und als ich ins Zimmer kam, drehte ich das Licht überm Bett an und fing an zu lesen. Ich las ein Buch von Turgenjew. Wahrscheinlich las ich dieselben zwei Seiten wieder und wieder. Es war eine Geschichte aus den Aufzeichnungen eines Jägers. Ich hatte sie früher schon gelesen, aber sie kam mir ganz unbekannt vor. Das Land erschien mir sehr vertraut, und der Druck in meinem Kopf schien nachzulassen. Ich war sehr betrunken und wollte meine Augen nicht zumachen, weil ich wußte, daß sich dann das Zimmer um mich

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