Fight Club: Roman (German Edition)
ich an einem Nacktbadestrand war. Es war schon sehr spät im Sommer, und ich schlief. Tyler war nackt und verschwitzt, voller Sand, und das Haar hing ihm nass und strähnig ins Gesicht.
Tyler war schon sehr lange da gewesen, bevor wir uns trafen. Tyler zog Treibholzstämme aus der Brandung und schleifte sie den Strand hinauf. Er hatte bereits einen Halbkreis aus Baumstämmen so in den nassen Sand gepflanzt, dass sie ein paar Zentimeter auseinander standen und ihm bis Augenhöhe reichten. Es waren vier Stämme, und als ich aufwachte, beobachtete ich, wie Tyler einen fünften auf den Strand zog. Tyler grub ein Loch unter ein Ende des Baumstamms, dann hob er das andere Ende an, bis der Stamm in das Loch glitt und leicht geneigt dastand.
Du erwachst am Strand.
Wir waren die einzigen Leute am Strand.
Ein paar Meter weiter zog Tyler mit einem Stock eine gerade Linie in den Sand. Er ging zurück, um den Stamm gerade zu richten, indem er Sand rund um den Fuß des Stammes feststampfte.
Ich war der einzige Mensch, der es beobachtete.
Tyler rief herüber: »Wissen Sie, wie spät es ist?«
Ich trage immer eine Armbanduhr.
»Wissen Sie, wie spät es ist?«
»Wo?«, fragte ich.
»Hier«, sagte Tyler, »hier und jetzt.«
Es war 16.06 Uhr.
Nach einer Weile setzte sich Tyler mit überkreuzten Beinen in den Schatten der aufrecht stehenden Baumstämme. Er saß einige Minuten da, dann stand er auf und ging schwimmen, zog ein T-Shirt und ein paar Shorts an und schickte sich an zu gehen. Ich musste fragen.
Ich musste wissen, was Tyler getan hatte, während ich schlief. Wenn ich an einem anderen Ort, zu einer anderen Zeit aufwachen konnte, konnte ich dann auch als ein anderer Mensch aufwachen?
Ich fragte, ob Tyler ein Künstler sei.
Tyler zuckte mit den Schultern und zeigte mir, wie die fünf stehenden Baumstämme am Fuß breiter waren. Er zeigte mir die Linie, die er in den Sand gezogen hatte, und wie er mit ihrer Hilfe den Schatten ausmaß, den jeder Baumstamm warf.
Manchmal wachst du auf, und du musst fragen, wo du bist.
Was Tyler geschaffen hatte, war der Schatten einer riesigen Hand. Nur waren die Finger jetzt lang wie bei Nosferatu, und der Daumen war zu kurz, aber um genau halb fünf, sagte er, war die Hand vollkommen. Die riesige Schattenhand war eine Minute lang vollkommen, und eine vollkommene Minute lang war Tyler in der Handfläche einer Vollkommenheit gesessen, die er selbst geschaffen hatte.
Du wachst auf, und du bist nirgendwo.
Eine Minute sei genug, sagte Tyler, ein Mensch müsse hart dafür arbeiten, aber eine Minute Vollkommenheit sei die Anstrengung wert. Eine Minute sei das Äußerste, was du an Vollkommenheit erwarten kannst.
Du wachst auf, und das reicht. Er hieß Tyler Durden, er war Filmvorführer, und er war Bankettkellner in einem Hotel in der Innenstadt, und er gab mir seine Telefonnummer. Und so haben wir uns kennen gelernt.
4
Von den üblichen Gehirnparasiten sind alle da heute Abend. »Nach oben und weiter« ist immer gut besucht. Das ist Peter. Das ist Aldo. Das ist Marcy.
Hallo.
Die Vorstellungsrunde: Das ist Marla Singer, und sie ist das erste Mal bei uns.
Hallo, Marla.
Bei »Nach oben und weiter« beginnen wir mit der Blitzrunde, in der jeder sagt, wie es ihm geht. Die Gruppe nennt sich nicht Parasitische Gehirnparasiten. Du hörst nie jemanden von »Parasiten« reden. Allen geht es ständig schon wieder besser. Ach, diese neue medikamentöse Behandlung. Alle sind ständig gerade über den Berg. Trotzdem schielen alle wie nach fünf Tagen Kopfweh. Eine Frau wischt sich ungewollte Tränen weg. Alle bekommen ein Namensschild, und Leute, die du seit einem Jahr jeden Dienstagabend getroffen hast, kommen auf dich zu, die Hand zum Händedruck bereit und den Blick auf dein Namensschild geheftet.
Ich glaube, wir kennen uns noch nicht.
Niemand sagt jemals
Parasit.
Sie sagen
Agens.
Sie sagen nicht
Heilung.
Sie sagen
Behandlung.
In der Blitzrunde sagt etwa jemand, wie das Agens in seine Wirbelsäule vorgedrungen ist und er plötzlich keine Kontrolle mehr über seine linke Hand hat. Das Agens, sagt dann jemand, hat seine Hirnhaut ausgetrocknet, weshalb sich das Gehirn nun von der Innenseite des Schädels zurückzieht, was Anfälle verursacht.
Als ich das letzte Mal hier war, hat die Frau namens Chloe die einzige gute Nachricht verkündet, die sie hatte. Chloe stemmt sich an der hölzernen Armlehne ihres Sessels auf die Füße und sagt, sie habe keine Angst mehr vor dem Tod.
Heute Abend,
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