Fight Club: Roman (German Edition)
innegehalten haben. So als hätte ich vielleicht etwas gefunden.
Marla hört auf zu atmen, ihr Bauch hämmert wie eine Trommel, und ihr Herz ist wie eine Faust, die von innen auf das straffe Fell einer Trommel schlägt. Aber nein, ich habe angehalten, weil ich rede und weil eine Minute lang keiner von uns beiden in Marlas Zimmer war. Wir waren in der Medizinischen Fakultät, es ist Jahre her, ich saß auf dem klebrigen Papier, und mein Schwanz brannte wie Feuer von dem Flüssigstickstoff, als einer der Medizinstudenten meine nackten Füße sah und den Raum mit zwei großen Schritten verließ. Der Student kam hinter drei richtigen Ärzten zurück, und die Ärzte rempelten den Mann mit der Stickstoffdose zur Seite.
Ein richtiger Arzt packte meinen nackten Fuß und hielt ihn den anderen, richtigen Ärzten vors Gesicht. Die drei drehten und betasteten den Fuß und machten Polaroidfotos davon, und es war, als würde der Rest der Person, nur halb bekleidet und mit halb gefrorenem Geschenk Gottes, nicht existieren. Nur der Fuß, und die übrigen Medizinstudenten drängten herein, um ihn zu sehen.
»Seit wann«, fragte ein Arzt, »haben Sie diesen roten Hautfleck auf Ihrem Fuß?«
Der Doktor meinte mein Muttermal. Auf dem rechten Fuß habe ich ein Muttermal, das, wie mein Vater witzelt, aussieht wie ein dunkelrotes Australien mit einem kleinen Neuseeland gleich daneben. Genau das erzählte ich ihnen, und damit war schlagartig die Luft raus aus der Sache. Mein Schwanz taute langsam wieder auf. Außer dem Studenten mit dem Stickstoff gingen alle hinaus, und ich hatte das Gefühl, dass er am liebsten auch gegangen wäre. Er war so enttäuscht, dass er mir nicht einmal in die Augen sah, als er meinen Schwanz an der Eichel nahm und zu sich hinzog. Aus der Dose sprühte ein dünner Strahl auf das, was von der Warze übrig war. Du hast das Gefühl, als könntest du die Augen schließen und dir vorstellen, dein Schwanz sei hundert Meilen lang, und er würde immer noch wehtun.
Marla sieht auf meine Hand und die Narbe von Tylers Kuss.
Ihr scheint hier nicht sehr oft ein Muttermal zu sehen, sagte ich zu dem Medizinstudenten.
Das ist es nicht, sagte der Student. Alle dachten, das Muttermal sei Krebs. Es gab da diese neue Sorte Krebs, die junge Männer befällt. Sie wachen mit einem roten Fleck auf den Füßen oder Knöcheln auf, und der Fleck geht nicht weg, sondern dehnt sich aus, bis er dich ganz bedeckt, und dann stirbst du.
Der Student sagte, die Ärzte und alle anderen waren so aufgeregt, weil sie glaubten, ich hätte diesen neuen Krebs. Bisher haben ihn nur sehr wenige Leute, aber er breitet sich aus.
Das war vor vielen, vielen Jahren.
So ist das mit Krebs, sage ich zu Marla. Es wird immer Irrtümer geben, und vielleicht kommt es darauf an, nicht den Rest von dir zu vergessen, nur weil ein kleiner Teil möglicherweise auf die schiefe Bahn gerät.
Marla sagt:
»Möglicherweise.«
Der Student mit dem Stickstoff beendete seine Arbeit und sagte, die Warze würde nach ein paar Tagen abfallen. Neben meinem nackten Arsch lag auf dem klebrigen Papier ein Polaroidfoto von meinem Fuß, das keiner wollte. Ich sagte: Kann ich das Bild haben?
Das Bild steckt immer noch in der Ecke eines Spiegels in meinem Zimmer. Jeden Morgen, bevor ich zur Arbeit gehe, kämme ich mir die Haare und denke daran, wie ich einmal für zehn Minuten Krebs hatte, mehr als Krebs.
Ich erzähle Marla, dass heuer das erste Jahr war, in dem mein Großvater und ich zu Thanksgiving nicht Schlittschuh laufen gingen, obwohl das Eis fast fünfzehn Zentimeter dick war. Meine Großmutter hat immer diese kleinen runden Pflaster auf der Stirn und den Armen, überall, wo die Leberflecke, die sie ihr ganzes Leben lang hatte, nicht gut aussehen. Sie dehnen sich mit ausgefransten Rändern aus oder wechseln von Braun zu Blau oder Schwarz.
Als meine Großmutter das letzte Mal aus dem Krankenhaus kam, trug mein Großvater ihren Koffer, und der war so schwer, dass er klagte, er fühle sich ganz einseitig. Meine französischkanadische Großmutter war so schamhaft, dass sie sich nie öffentlich im Badeanzug zeigte, und sie ließ immer Wasser ins Waschbecken laufen, um alle Geräusche zu verschleiern, die sie möglicherweise im Badezimmer machte. Sie kommt also nach einer Brustamputation aus dem Krankenhaus »Unsere Liebe Frau von Lourdes« und sagt: »Du fühlst dich einseitig?« Für meinen Großvater fasst das die ganze Geschichte zusammen, meine Großmutter, Krebs, ihre
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