Fillory - Der König der Zauberer: Roman (German Edition)
war der Zauber praktisch unmöglich wieder rückgängig zu machen. Abgesehen von allem anderen, konnte man nie sicher sein, dass man sein früheres Äußeres je wieder ganz richtig hinbekam. Am Ende sah man aus wie ein Porträt seiner selbst. Die beste Alternative, die Quentin kannte, glich der Art, wie sich Tiere zum Schutz tarnten. Stand man vor einem Baum, sah man graubraun und belaubt aus, und wenn man ganz still war und sich nicht rührte, tendierte das Auge des Betrachters dazu, über einen hinwegzusehen. Normalerweise. Wenn das Licht nicht allzu gut war. Die zuschlagende Autotür knallte laut in der Stille. Quentin spürte die Blicke der anderen im Rücken, als er die Straße überquerte.
Oben auf dem Steinpfosten lag etwas: Knöpfe! Auch ringsum im Gras waren sie verstreut. Große, kleine, aus Perlmutt, aus Schildpatt. Wahrscheinlich ein Fan-Ritual. Man kam vorbei und hinterließ einen Knopf, so wie die Leute auf Jim Morrisons Grab Joints legten.
Dennoch blieb er stehen und berührte jeden von ihnen, einen nach dem anderen, nur um sicherzugehen, dass kein echter darunter war.
Der Tarnzauber war furchtbar primitiv. Quentin hob ein dickes, ledriges Eichenblatt auf, brach ein Rindenstück von einem Baum ab, pflückte einen Halm des spärlichen Grases und wählte einen Granitkiesel vom Straßenrand aus. Über diese Sammlung sprach er flüsternd eine französische Reimformel, spuckte darauf und – oh, das glamouröse Leben des modernen Zauberers – steckte sie in die Tasche.
Und jetzt weiter. Quentin mied die Kiesauffahrt und stahl sich durch die Bäume bis zu ihrem Rand. Und dann stand er vor Tante Maude Chatwins Haus.
Es war, als blicke er in der Zeit zurück. Der unauffällige Zufahrtsweg war nur eine Täuschung, eine Tarnung gewesen. Das Haus war nämlich wirklich großartig, ja, man hätte es als schlossähnlich bezeichnet, wenn sie nicht gerade von Plovers Villa gekommen wären. Als Quentin sich näherte, verschmälerte sich der Zufahrtsweg zu einer richtigen Einfahrt, die sich vor dem Haus noch einmal teilte und einen Kreisel bildete, in dessen Mitte ein bescheidener, aber funktionstüchtiger Brunnen plätscherte. Drei Reihen hoher Fenster schmückten die Fassade, und das graue Schieferdach wurde von einem bunten Durcheinander an Schornsteinen und Giebeln geziert.
Quentin hatte nicht gewusst, was ihn erwartete. Er hatte mit allem gerechnet, einer Ruine vielleicht oder einer abstoßend modernisierten Fassade. Doch das Chatwin-Haus war perfekt erhalten und renoviert, und die Rasenflächen sahen aus, als seien sie erst am Morgen frisch gemäht worden. Es war schöner, als Quentin zu hoffen gewagt hatte, abgesehen von einem: Es stand nicht leer.
Auf dem gepflegten Rasen parkten zahlreiche Autos, schicke Autos, neben denen sich ihr Leih-Jaguar winzig ausnahm. Gelbliches Licht fiel aus den Fenstern der unteren Stockwerke heraus in die einsetzende Dämmerung, begleitet von sorgsam ausgewählten, nicht zu lauten Klängen der frühen Rolling Stones. Wer immer derzeit das Haus bewohnte, feierte eine Party.
Quentin stand draußen und sah hinein. Über seinem Kopf versammelte sich ein abendlicher Mückenschwarm. Die Party erschien ihm wie ein Sakrileg; am liebsten wäre er hineingeplatzt und hätte alle vertrieben wie Jesus die Geldverleiher aus dem Tempel. Das hier war heiliger Boden für die Urphantasie des zwanzigsten Jahrhunderts, ein Ort, an dem die Erde und Fillory zum ersten Mal zusammengestoßen waren wie Billardkugeln. Über das Stimmengewirr hinweg ertönte ein Brüller, eine Frau kreischte auf und lachte dann aus vollem Halse.
Positiv betrachtet, war es jedoch ein Glücksfall. Die Party war so groß, dass sie sich unauffällig zwischen die Gäste mischen konnten, besonders die Mädchen. Und zwar würden sie sich nicht reinschleichen, sondern ganz dreist durch die Haustür hineinspazieren. Frechheit siegt. Wenn sie jeglichen Verdacht ausgeräumt hatten, würden sie sich nach oben schleichen und mit der Suche beginnen. Quentin kehrte zum Auto zurück, um die anderen zu holen.
Sie fanden einen Parkplatz auf dem Rasen. Zum Glück war es gar nicht mal so unwahrscheinlich, dass man sie für Partygäste hielt. Quentin hatte in Venedig in einige gute Kleidungsstücke investiert, auf Kosten von Joshs unerschöpflicher Kreditkarte.
»Wenn euch jemand fragt, sagt ihr einfach, John hätte euch mitgebracht.«
»Gute Idee. Äh, Quentin, willst du etwa so …?«, fragte Josh.
Nein, er sollte sich lieber
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