Fillory - Der König der Zauberer: Roman (German Edition)
Meinung den Freimaurern geklaut hatten), ziemlich einfallslos war, konnte man nicht leugnen, aber es garantierte eine gewisse Ordnung. Die Hierarchien wurden klar definiert, und das wusste Julia umso mehr zu schätzen, je höher sie aufstieg. Sie ließ sich Sterne auf den Rücken tätowieren und achtete dabei darauf, genügend Platz zu lassen, denn sie lernte schnell.
Nach einem Monat erkannte sie, dass sie schneller lernte als die übrigen regelmäßigen Besucher des Safehouses, und nach weiteren drei Monaten wurde ihr bewusst, um wie viel schneller. Zu diesem Zeitpunkt hatte sie sieben Sterne, so viele wie Jared, der bereits seit drei Jahren dabei war. In Brakebills wäre sie wahrscheinlich eine Schülerin unter vielen gewesen, doch sie war nicht in Brakebills, sondern hier, und hier war sie etwas Besonderes. Die anderen schienen einfach nicht den geringsten Bezug zu den theoretischen Grundlagen der Magie zu entwickeln. Sie lernten ihre Formeln und Handbewegungen auswendig, waren aber nicht an den zugrundeliegenden Mustern interessiert. Nur einige wenige drangen tiefer in die Linguistik ein, die Grammatik und die Wurzelsysteme. Die meisten zogen es vor, sich die Silben und Gesten zu merken und alles Übrige zu vergessen.
Doch das war ein Fehler. Es raubte ihrer Zauberei Saft und Kraft und zwang sie, mit jeder neuen Formel wieder ganz von vorn anzufangen, weil sie die Verbindungen zwischen ihnen nicht erkannten. Dadurch würden sie niemals in der Lage sein, etwas Eigenes zu entwickeln, wonach Julia bereits gierte. Sie gründete zusammen mit Jared eine Arbeitsgruppe für alte Sprachen. Sie gewannen ganze vier Mitglieder, von denen die meisten nur gekommen waren, weil sie auf Julia scharf waren. Sie schmiss einen nach dem anderen raus, weil sie mit den Hausaufgaben nicht mitkamen.
An den Handbewegungen arbeitete sie besonders hart, weil sie wusste, dass sie dafür nicht von Natur aus begabt war. Niemand konnte ihr bei den Handbewegungen das Wasser reichen, nicht einmal Jared. Die anderen fanden nicht so viel Geschmack an Schmerzen wie sie.
Sosehr Julia Brakebills auch hasste – mit einer Glut, die sie in einem inneren Herd sorgfältig hütete und anblies, sobald sie zu verlöschen drohte –, so konnte sie doch begreifen, warum man dort Wert auf Exklusivität legte. Im Throop-Avenue-Safehouse tauchten eine Menge Asis auf.
Julia hatte schon immer einen unangenehmen Hang zum Strebertum besessen, den sie in der Vergangenheit tunlichst verschleiert hatte. Doch jetzt kehrte sie den Spieß um. Da niemand ihr Grenzen setzte, hegte sie dieses Pflänzchen und brachte es zum Blühen. So wie Brakebills sie gedemütigt hatte, so demütigte sie jeden, der nicht mit ihr mithalten konnte. Schließlich war die Magie kein Beliebtheitswettbewerb. Throop Avenue sollte ihr eigenes Brakebills werden. Besucher des Throop-Avenue-Hauses, die auf einem Level wie Julia oder knapp darunter lagen, konnten sich auf etwas gefasst machen. Jeder Fehler wurde ihnen kräftig unter die Nase gerieben.
Egal, ob schwarz, weiß, müde, krank oder erst zwölf: Es war erstaunlich, ja ganz unglaublich, wie viele Zauberer sich durchmogelten. Das machte Julia stinksauer. Wer hatte diesen Leuten ihre Sterne zugeteilt? Manchen der anderen Safehouses hätte man nur einen kleinen Schubs versetzen müssen, schon wären sie eingestürzt wie Kartenhäuser. Es war entmutigend, jawohl. Endlich hatte sie eine Zauberschule gefunden, jedenfalls etwas in der Art, was sie ihr Eigen nennen konnte, und sie spuckte einen Haufen Blender und Betrüger aus!
Durch Julias unbarmherziges Ausleseverfahren erlangte das Safehouse in der Throop Avenue einen gewissen Ruf. Es kamen nicht mehr so viele Leute vorbei, und wenn, wurden sie manchmal ziemlich unangenehm. Und zwar ganz konkret. Aufschneider werden nicht gerne entlarvt, und es gab eine erhebliche Schnittmenge zwischen Möchtegernmagiern und Kampfsportlern.
Aber was dachten sich diese Idioten dabei? Glaubten die, sie wären in Connecticut? Nein, sie befanden sich in einem Safehouse in Bed-Stuy, einem Viertel von Brooklyn. Und es gab eine erhebliche Schnittmenge zwischen Einwohnern von Bed-Stuy und Waffenbesitzern. Schwachköpfe! Willkommen in New Depp City.
Doch obwohl Julias Kreuzzug für die Reinheit der magischen Lehre zu größerer Effektivität führte, gab es ein Problem im Bed-Stuy-Safehouse, und zwar den Ringordner mit der Formelsammlung. Das improvisierte Zauberbuch. Ab und zu kamen mal fähige Besucher vorbei,
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