Fillory - Der König der Zauberer: Roman (German Edition)
umher. Kein Lüftchen regte sich, das Wasser war glatt wie Glas, und wir stießen auf eine Sargassosee, einen großflächigen Treibgutstrudel. Auf ihm lebten Leute, die darin herumstocherten. Alles, was die Menschen vergäßen, würde irgendwann dort landen, erzählten sie. Spielzeug, Tische, ganze Häuser! Auch Menschen. Auch sie werden vergessen.
Beinahe wären wir dort gestrandet, doch die
Muntjak
klappte eine Reihe von Riemen aus, um uns herauszuholen, nicht wahr, meine Alte?« Eliot klopfte vertraulich mit der Faust gegen das Dollbord. »Wenn man wollte, konnte man aus der Sargassosee etwas mitnehmen, aber nur unter der Bedingung, dass man dafür etwas anderes dort ließ. Schramme hat sich ein magisches Schwert ausgesucht. Zeig mal dein Schwert, Schramme.«
Schramme, der am anderen Ende des Tisches saß, stand auf und zog sein Schwert halb aus der Scheide, fast schüchtern. Es besaß eine schmale Klinge aus glänzendem Stahl, geschmückt mit weißschimmernden, verschnörkelten Silberornamenten.
»Er will aber nicht verraten, was er dafür dagelassen hat. Was hast du zurückgelassen, Schramme?«
Schramme lächelte, berührte seinen Nasenflügel und sagte nichts.
Quentin war erschöpft. Er war morgens in Venedig erwacht, hatte den Tag in England verbracht und dann einen weiteren halben Tag in Fillory. Er war bereits einmal betrunken gewesen und wieder nüchtern geworden und war nun wieder dabei, sich zu betrinken, während er auf einer harten, splittrigen Bank in der Kombüse der
Muntjak
saß. Er dachte, dass Eliot einen kurzen Ausflug auf die Erde, wo der Wein und der Kaffee besser waren, sicherlich genossen hätte. Doch wer weiß, vielleicht hätte alles nicht richtig funktioniert, wenn ihre Rollen vertauscht gewesen wären. Vielleicht hätte er, Quentin, es nicht geschafft, sie alle aus der Sargassosee zu befreien, und vielleicht hätte Eliot weder den Weg zu Josh gefunden noch den Drachen besucht, noch mit Thomas gespielt. Vielleicht hätte er versagt, wo Quentin Erfolg gehabt hatte, und umgekehrt. Vielleicht hatte sich das alles nur genau so abspielen können. Man erhielt nicht die Abenteuerfahrt, die man sich wünschte, sondern die, für die man geeignet war.
Das war das Schwierige: zu akzeptieren, dass man keine Wahl hatte, wohin die Reise führte. Abgesehen davon, dass er die Wahl getroffen hatte aufzubrechen.
»Jetzt spann uns nicht auf die Folter«, sagte er zu Eliot. »Habt ihr die Schlüssel gefunden?«
Eliot nickte.
»Fast alle. Wir mussten jedes Mal entweder einen Kampf bestehen oder ein Rätsel lösen. Einmal mussten wir uns gegen einen spinnenartigen Riesenhummer verteidigen, der den Schlüssel im Herzen trug. Dann gelangten wir an einen Strand, der aus Schlüsseln bestand, Millionen von ihnen, und wir mussten sie durchsuchen, bis wir den richtigen gefunden hatten. Wahrscheinlich war ein Trick dabei, aber niemand kam auf die Lösung, deswegen mussten wir den komplizierten Weg gehen und rund um die Uhr abwechselnd die Schlüssel ausprobieren. Nach ein paar Wochen fanden wir den, der an den Schlüsselbund passte.
Tut mir leid, wenn ich jetzt ein wenig direkt werde, aber denk daran, wir sind jetzt seit einem Jahr auf der Suche, Woche für Woche, und ehrlich gesagt, geht uns diese Abenteuerfahrt allmählich auf die Nerven. Also: Wir haben inzwischen fünf der sieben Schlüssel. Einen haben uns die Zwerge gegeben, vier haben wir gefunden. Hast du einen? Den von der Insel Jenseits?«
»Nein«, antwortete Quentin. »Julia und ich haben ihn zurückgelassen, als wir durch das Portal gegangen sind. Hat ihn keiner mitgenommen?«
Quentin sah erst Schramme, dann Benedikt an. Keiner von beiden hielt seinen Blicken stand.
»Nein? Wir haben ihn auch nicht.«
»Verdammt!«, fluchte Eliot. »Genau das habe ich befürchtet.«
»Aber was ist denn passiert? Er kann doch nicht einfach verschwunden sein. Er muss sich noch auf der Jenseits-Insel befinden.«
»Nein, da ist er nicht«, entgegnete Benedikt. »Wir haben überall gesucht.«
»Tja, dann müssen wir wohl weitersuchen«, seufzte Eliot und hob sein Glas, damit man ihm nachschenkte. »Scheint so, als kämt ihr doch noch in den Genuss von ein paar Abenteuern.«
Kapitel 18
D as Haus in Bed-Stuy war Julias erstes Safehouse, und es bedeutete das Ende von Stanford. Sie würde niemals aufs College gehen. Damit brach sie ihren Eltern zum zweiten und letzten Mal das Herz. So unerträglich war der Gedanke daran, dass sie ihn erfolgreich verdrängte.
Sie
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