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Fillory - Der König der Zauberer: Roman (German Edition)

Fillory - Der König der Zauberer: Roman (German Edition)

Titel: Fillory - Der König der Zauberer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lev Grossman
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die eine Formel kannten, welche noch nicht im Buch enthalten war. Falls sie im Buch eine Formel fanden, die wiederum ihnen unbekannt war, konnte man oft einen Austausch arrangieren, so dass das Buch wuchs.
    Doch solche Geschäfte waren frustrierend selten. Julia brannte darauf, schneller weiterzukommen. Irgendwoher mussten diese Formeln doch stammen. Wo lag die Quelle? Niemand wusste es. In den Safehouses herrschte eine hohe Fluktuation, und die Informationen wurden unzureichend gespeichert. In Julia wuchs der Verdacht, dass irgendwo jemand auf einem wesentlich höheren Level agierte als sie. Sie wollte herausfinden, wer es war, wo und wie. Und zwar schnell.
    Julia änderte ihre Taktik. Sie wurde zur Besucherin. Sie hatte den Civic ihrer Chesterton-Tage behalten, gab ihren Job als Netzwerkretterin auf und machte sich auf den Weg, manchmal allein, manchmal mit Jared als Beifahrer. Safehouses waren nicht leicht zu finden – sie verbargen ihre Lage vor der Außenwelt, aber auch voreinander, weil sich schon oft Häuser untereinander bekämpft hatten und so etwas in der Regel mit der gegenseitigen Vernichtung endete. Manchmal konnte man jedoch einem freundlichen Besucher eine Adresse entlocken. Julia wurde richtig gut darin. Und wenn gar nichts mehr half, griff sie zum Mittel der Handentspannung im Badezimmer, und zwar völlig skrupellos.
    Einige Safehouses waren größer als andere, und manche groß und sicher genug, um sich eine gewisse Berühmtheit zu erlauben, jedenfalls innerhalb der Szene, weil sie glaubten, mit ihnen würde niemand Schindluder treiben. Der Ordner, den Julia in einem ehemaligen Bankgebäude in Buffalo ausgehändigt bekam, war so dick, dass sie schluchzend auf die Knie fiel. Sie blieb eine Woche dort und fütterte ihr ausgehungertes Gehirn gleich terabyteweise.
    In diesem Sommer schweifte sie gen Norden in Richtung Kanada, dann nach Westen bis nach Chicago, südlich nach Tennessee und Louisiana und ganz hinunter bis nach Key West – ein knochenharter, kupplungsschleifender, vinylklebriger Trip, an dessen Ende nichts als ein armseliges, zwölfseitiges Zauberbuch in einem katzenverseuchten Bungalow neben Hemingways Haus auf sie wartete. Es waren Julias Wandermonate. Sie schlief in Gästebetten, Motels oder im Civic. Als der Civic den Geist aufgab, ging sie zum drahtlosen Kurzschließen von Autos über. Sie traf die verschiedensten Leute, von denen einige nicht mal menschlich waren. Die Häuser auf dem Land beherbergten gelegentlich niedere Dämonen, unbedeutende Feen oder lokale, geospezifische Naturgeister und Elemente, die dem Etablissement Glaubwürdigkeit verliehen und als Gegenleistung Gott weiß welche Gegenstände oder Dienste erhielten. Sie fragte nicht nach. Diese Wesen waren von einer gewissen Romantik umflort; sie schienen das Versprechen der Magie zu verkörpern, dass durch sie ein großartigeres Leben als jenes beschert würde, in das sie hineingeboren worden war. Der Augenblick, wenn du einen Raum betrittst und der Typ am Billardtisch rote Lederflügel auf dem Rücken trägt und das rauchende Mädchen auf dem Balkon dich mit Augen aus flüssigem, goldenem Feuer ansieht – in diesem Augenblick glaubst du, nie wieder traurig, gelangweilt oder einsam sein zu müssen.
    Doch Julia durchschaute diese Wesen ziemlich schnell und entdeckte hinter ihrem Äußeren oft eine ganz ähnliche Verzweiflung und Verwirrung wie ihre eigene. Auf diese Weise kam Julia mit Warren zusammen und lernte ihre Lektion.
    Jedenfalls bedeckte sich ihr Rücken nach und nach mit siebenzackigen Sternen. Sie musste die große Fünfzig in ihrem Nacken anbringen, um Platz zu sparen. Es war unkonventionell, aber Konventionen dienten letztlich nur dazu, es den Aufschneidern und Betrügern leichtzumachen. Man musste die Konventionen verbiegen, um Raum für jemanden wie Julia zu schaffen.
    Doch Julia ging allmählich die Puste aus. Sie war ein Güterzug, vollgeladen mit magischer Pädagogik, aber dieser Zug brauchte Informationen und neue Daten, um fahren zu können. Der Treibstoff wurde jedoch rar und war, wenn vorhanden, von schlechter Qualität. Julia wurde nicht satt. Jedes Mal, wenn sie ein neues Safehouse betrat, hegte sie große Hoffnungen, doch immer öfter wurde sie enttäuscht. Es spielte sich folgendermaßen ab: Julia öffnete die Tür, nahm es in Kauf, von den männlichen Anwesenden angeglotzt zu werden, zeigte ihre Sterne vor, zwang den Chef des Hauses, ihr den Ordner zu zeigen, blätterte diesen lustlos durch,

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