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Fillory - Der König der Zauberer: Roman (German Edition)

Fillory - Der König der Zauberer: Roman (German Edition)

Titel: Fillory - Der König der Zauberer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lev Grossman
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schon in der Erwartung, nichts Neues zu finden, schmiss den Order auf den Boden, rauschte hinaus und überließ es Jared, sich für sie zu entschuldigen.
    Das war keine Art, sich zu benehmen, das wusste sie. Sie führte sich so auf, weil sie wütend war und sich selbst nicht leiden konnte. Und je mehr sie sich selbst nicht leiden konnte, umso mehr ließ sie ihren Ärger an anderen aus, und je mehr sie andere schikanierte, desto weniger konnte sie sich leiden. Hier ist ihr Beweis, Mr. Hofstadter: Ich bin eine seltsame Schleife.
    Sie hätte natürlich an die Westküste oder die mexikanische Grenze reisen können, doch sie glaubte, bereits zu wissen, was sie dort finden würde. In der Spiegelwelt des weiten magischen Untergrunds schienen sich die Perspektiven umzukehren: Je mehr man sich den Dingen näherte, desto kleiner wirkten sie. Objekte im Spiegel waren weiter entfernt, als es aussah. Oder, anders ausgedrückt: Wie viele Münzwürfe konnte ein Mädchen voraussehen? Wie viele Nägel konnte sie vor dem Rosten bewahren? Nein, die Welt brauchte keine weiteren entmagnetisierten Magnete. Das war zwar Magie, aber Blödsinnsmagie. Julia hatte sich in den unsichtbaren Chor eingereiht, doch der sang nur Spielshow-Jingles. Sie hatte ihr ganzes Leben als Pfand für dieses Zeugs gegeben, und es sah so aus, als hätte man sie übers Ohr gehauen.
    Nach allem, was sie durchgemacht, nach allem, was sie geopfert hatte, war das mehr, als sie ertragen konnte. Eine Weile fragte sie sich, ob Jared sie hinhielt, ob er mehr wusste als sie, aber sie war sich ziemlich sicher, dass das nicht der Fall war. Nur um ganz sicherzugehen, griff sie zum äußersten Mittel. Nichts. Nada. Seufz.
    Ehrlich gesagt griff sie auf ihren Reisen mehrmals zum äußersten Mittel. Sie nannte es die »nukleare Option«, und nach einiger Zeit fühlte sie sich selbst wie eine nukleare Wüste: verstrahlt und toxisch. Sie vermied es, darüber nachzudenken. Sie nannte es sich selbst gegenüber nicht einmal beim Namen:
nuklear
war das Codewort, und sie hatte diese Erinnerungen verschlüsselt, auf dass sie niemals decodiert würden. Sie hatte getan, was sie tun musste, basta. Über wahre Liebe dachte sie nicht mal mehr nach. Sie konnte sich nicht mehr vorstellen, dass sie tatsächlich existierte. Sie hatte sie der Magie zuliebe aufgegeben.
    Doch der nukleare Winter brach herein, und die Magie hielt sie nicht warm. Es wurde kalt, schmutziger Schnee fiel, und die Erde wurde wieder durstig, durstig nach Balsam. Der schwarze Hund war auf der Jagd. Julia spürte sie wieder, die Schwärze.
    Oder besser: wahre Schwärze wäre eine Erleichterung gewesen, ein Ausflug im Vergleich zu dem, wohin sie trieb, nämlich in die Verzweiflung. Diese hatte keine Farbe. Julia wünschte, sie würde aus Schwärze bestehen, samtiger, weicher Schwärze, in der sie sich zusammenrollen und einschlafen könne, doch es war viel schlimmer. Es war wie der Unterschied zwischen der Null und dem Nichts, das nichts enthielt, nicht einmal nichts. All dies ist nur des Kummers Kleid und Zier.
Lacht diese Welt: ich bin ihr Grabgedicht.
    Der Dezember brach an, und die Tage wurden kürzer. Schnee dämpfte die Geräusche des Verkehrs auf der Throop Avenue. Und dann, am Tag der heiligen Lucia, ganz zufällig, wie in dem Gedicht von John Donne, kam der Wendepunkt, und zwar in Form eines Showdowns nach Westernart: Eine Fremde betrat die Stadt.
    Sie war nett anzusehen, diese Fremde, preppy, wie von einer Eliteuniversität. Neunundzwanzig vielleicht, im dunklen Kostüm, das schwarze Haar mit gekreuzten Essstäbchen hochgesteckt. Rundes Gesicht, Babyspeck, Nerdbrille, aber hart drauf: Es mochte eine Zeit gegeben haben, in der man sie herumgeschubst hatte, aber die war längst vorbei. Gemäß dem Throop-Avenue-Protokoll kam, kaum dass sie eingetreten war, der Platzhirsch auf sie zu, der Platzhirsch in Gestalt von Julia.
    Nun, die Elitestudentin zog ihr Jackett aus, knöpfte die Blusenmanschetten auf und entblößte die Arme, die bis zu den Schultern mit Sternen bedeckt waren. Sie breitete die Arme aus wie der Gesegnete und zeigte dabei eine Hundertertätowierung an beiden Handgelenken. Es wurde still im Zimmer. Julia zeigte der Elitestudentin ihre Sterne. Dann verlangte diese einen Beweis.
    Das hatte Julia noch nie erlebt, aber sie kannte den Ablauf. Sie würde jeden einzelnen Zauber bewirken müssen, den sie kannte, jeden Test wiederholen, den sie je abgelegt hatte, um der Elitefrau zu beweisen, dass sie sich ihre

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