Fillory - Der König der Zauberer: Roman (German Edition)
frühstückte, das meist die ganze Nacht unterwegs war und spät aufstand. Beide Seiten präsentierten ihre Ergebnisse und bezogen die der jeweils anderen in ihre weiteren Forschungen mit ein. Zwischen den beiden Gruppen war eine Art gesunder Wettbewerb entstanden. Aber auch ein gewisses Maß von ungesundem.
»Verdammte Scheiße, Aschmodai!«, fluchte Pouncy eines Tages im September mitten in ihrem Bericht. Die Heuwiesen rund um das Haus färbten sich allmählich zartbraun. »Wohin soll das denn führen? Wenn ich noch ein Wort über diese beschissene Goldene Geiß höre, drehe ich durch, das schwöre ich! Ich drehe durch! Die Ziege hat keine Ahnung! Diese ganze Gegend ist lächerlich! Ich würde für etwas Griechisches sterben. Irgendetwas. Gott, Halbgott, Geist, Ungeheuer, egal was. Einen Zyklopen. Es muss doch noch ein paar von ihnen geben. Schließlich sind wir praktisch am Mittelmeer!«
Aschmodai starrte ihn vorwurfsvoll über den Tisch hinweg an, der mit Baguettekrümeln übersät und mit provenzalischer Marmelade verschmiert war. Sie hatte dunkle Ränder unter den Augen, völlig fertig durch den Schlafmangel. Eine fette Wespe flog mit herunterhängenden Beinchen von einem Marmeladenklecks zum nächsten.
»Mit Zyklopen kann ich nicht dienen«, sagte sie. »Aber mit Sirenen. Ich könnte dir eine Sirene liefern.«
»Eine Sirene?« Pouncys Miene hellte sich auf, und er schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. »Warum hast du das nicht gleich gesagt? Das ist ja phantastisch!«
»Es sind aber keine griechischen Sirenen, sondern französische. Halb Schlange, von der Taille abwärts.«
Pouncy runzelte die Stirn. »Also eher Gorgonen.«
»Nein. Gorgonen haben Schlangenhäupter. Außerdem glaube ich sowieso nicht, dass es sie gibt.«
»Eine Frau, die halb Schlange ist«, warf Julia ein, »müsste eine Lamia sein.«
»Das wäre sie«, fauchte Aschmodai, »wenn sie in Griechenland leben würde. Aber wir sind in Frankreich, deshalb ist sie eine Sirene.«
»Na schön, aber vielleicht kennt sie eine Lamia«, wandte Pouncy ein. »Sie könnten miteinander verwandt sein. Cousinen zum Beispiel. Man könnte doch meinen, dass alle schlangenleibigen Frauen ein Netzwerk …«
»Nein, sie kennt keine Lamia.« Aschmodai ließ den Kopf auf den Tisch sinken. »Mein Gott, ihr habt keine Ahnung, was ihr von mir verlangt.«
»Ich verlange doch gar nichts von dir, ich rate dir nur, deine Suche auszuweiten. Ich habe die Nase voll von diesem niedlichen französischen Puschelscheiß. Hast du dich schon mal gefragt, warum es keinen Film mit dem Titel
Kampf der Heinzelmännchen
gibt? Die Kräfte der Wesen hier sind lächerlich! Wir könnten dich in ein Flugzeug nach Griechenland setzen, Geld spielt keine Rolle. Wir könnten alle zusammen nach Griechenland fliegen. Hier kommst du nicht mehr weiter, und du bist zu dickköpfig, um es zuzugeben.«
»Du hast ja keine Ahnung!« Aschmodai richtete sich auf und ihre geröteten Augen blitzten. »Du hast keine Ahnung von meiner Arbeit! Du kannst nicht einfach von Tür zu Tür gehen wie bei einer Volkszählung. Man muss erst das Vertrauen der magischen Wesen gewinnen. Ich unterhalte inzwischen ein Netzwerk von Agenten. Einige dieser Geschöpfe haben seit Jahrhunderten nicht mehr mit Menschen geredet. Die Goldene Geiß …«
»Verdammt nochmal!«, brüllte Pouncy und zeigte mit gestrecktem Zeigefinger auf Aschmodais Gesicht. »Hör mir mit dieser beschissenen Ziege auf!«
»Aschmo hat recht, Pouncy.«
Alle Augen waren auf Julia gerichtet. Sie erkannte, dass Pouncy mit ihrer Unterstützung gerechnet hatte, aber schließlich war sie nicht hier, um Machtspielchen zu spielen. Wenn die Magie sie eines gelehrt hatte, dann, dass man mit Macht keine Spielchen trieb.
»Du denkst in die falsche Richtung. Die Antwort führt nicht in die Breite, sondern in die Tiefe. Wenn wir anfangen, rund um die Welt zu trampen und überall willkürlich Mythen zu sammeln, verschwenden wir unser ganzes Geld und unsere Zeit und haben letztendlich nichts in der Hand.«
»Aber bis jetzt haben wir auch nur Käse von einer Goldenen Geiß.«
»Augenblick!«, fiel Falstaff ein. »Der war sehr lecker.«
»Das ist nicht der springende Punkt. Wenn wir nach etwas Bestimmtem suchen, werden wir niemals etwas finden. Aber wenn wir auf einen vielversprechenden Ort stoßen und dort in die Tiefe graben, uns durch das arbeiten, was wir dort finden, müssen wir irgendwann auf etwas Solides stoßen. Falls etwas Solides vorhanden
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