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Fillory - Der König der Zauberer: Roman (German Edition)

Fillory - Der König der Zauberer: Roman (German Edition)

Titel: Fillory - Der König der Zauberer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lev Grossman
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ist.«
    »Ein vielversprechender Ort. Zum Beispiel Griechenland. Genau das habe ich doch gemeint, als …«
    »Wir brauchen nicht nach Griechenland zu reisen«, erwiderte Julia. »Wir brauchen überhaupt nirgendwohin zu reisen. Das Ganze ist doch durch gemeinsame Wurzeln miteinander verbunden. Alle sind durch die Provence gezogen: Kelten, Römer, Basken. Die Buddhisten haben Missionare geschickt, die Ägypter hatten Kolonien, ebenso wie übrigens die Griechen, Pouncy, wenn dir die Griechen so wichtig sind. Auch Juden haben hier gelebt. Zwar hat das Christentum alles überlagert, aber die Mythologie reicht weit zurück. Wenn wir darin keinen Gott finden, dann gibt es keine Götter.«
    »Was willst du damit sagen?« Pouncy beäugte sie skeptisch, wenig erfreut über ihre Demonstration von Illoyalität. »Dass wir aufhören sollten, uns mit den Weltreligionen zu beschäftigen und uns stattdessen nur noch einheimischer Folklore und Mythologie widmen sollten?«
    »Genau. Dort liegen die Quellen. Wir sollten uns darauf konzentrieren und mal sehen, was sie uns bringen.«
    Pouncy schürzte nachdenklich die Lippen. Alle sahen ihn an.
    »Na schön.« Er warf die Hände in die Luft. »Ich schlage einen Kompromiss vor: Wir konzentrieren uns einen Monat lang nur auf die Quellen der Provence und warten ab, was sie uns bringen.« Er starrte in die Runde. »Aber keine Albernheiten mit Kobolden mehr. Ich will die Großen haben, Aschmo. Ich will wissen, wer über dieses Gebiet herrscht. Finde heraus, vor wem all das Kroppzeug Angst hat, und stelle einen heißen Draht zu demjenigen her. Mit ihm wollen wir reden.«
    Aschmodai stieß einen Seufzer aus. Sie sah Jahre älter aus als noch im Juni.
    »Ich tue mein Bestes«, versprach sie. »Das verspreche ich, Pouncy. Aber du weißt nicht, was du von mir verlangst.«
     
    Pouncy verlor nie ein Wort darüber, aber es stellte sich heraus, dass Julia recht hatte. Als sie sich ausschließlich auf die lokale Mythologie beschränkten, nahm das Projekt Ganymed Fahrt auf. Nachdem sie sich auf ein Puzzleteilchen konzentriert und alle anderen zurück in die Schachtel geworfen hatten, passte plötzlich alles zusammen.
    Während sie die Schriften des Gregor von Tours und anderer, namenloser Chronisten studierte, entwickelte Julia ein Gespür für die einheimische Magie. Genau wie der Wein besaß die provenzalische Magie ihren eigenen, typischen Bodengeschmack. Sie war aromatisch, chaotisch und romantisch. Es war nächtliche Magie, zusammenfabuliert aus Mond und Silber, Wein und Blut, Rittern und Feen, Wind, Flüssen und Wäldern. Sie beschäftigte sich mit Gut und Böse, aber auch mit dem weiten Zwischenreich des Unheils.
    Auch Muttermagie spielte eine Rolle. Nach und nach wurde sich Julia bewusst, dass irgendetwas oder besser irgendjemand oder noch besser irgendein weibliches Wesen hinter diesen alten, toten Seiten stand, nur knapp außer Sichtweite. Julia konnte sie weder sehen noch benennen, noch nicht, aber sie spürte sie. Sie musste sehr, sehr alt sein und sehr früh, noch vor den Römern, hierhergelangt sein. Nichts von dem, was Julia las, erwähnte sie unmittelbar – man konnte sie nicht direkt ansehen, aber man wusste, dass sie da war, anhand der kleinen Störungen, die sie im Universum um sie herum verursachte. Julia stöberte sie nur durch Triangulierung auf, über winzige Spuren, kurze Blicke, wie die seltsame Schwarze Madonna, die man überall in Europa antraf, besonders in der Gegend um die Provence. Schwarze Madonnen glichen den üblichen Mariendarstellungen, nur mit einer unerklärlich dunklen Hautfarbe.
    Doch sie war älter als die Jungfrau Maria und wilder. Julia hielt sie für eine Art Fruchtbarkeitsgöttin aus der Dunkelheit der tiefen, prähistorischen Vergangenheit der Gegend, bevor die kosmopolitischen Eroberer einfielen, alles glatt- und sauberschliffen und mit offiziellem, homogenisierendem Christentum zupflasterten. Sie musste eine entfernte Cousine von Diana, Kybele oder Isis sein, ethnographisch gesehen. Als die Christen eintrafen, hatten sie sie vermutlich mit Maria vereint, doch Julia vermutete, dass sie noch immer existierte. Sie spürte, dass die Göttin hinter der Maske christlichen Dogmas hervorschaute, so wie die zweite Julia hinter der Maske der ersten Julia gelauert hatte.
    Die Göttin rief Julia – Julia, die ihrer eigenen Mutter den Rücken zugekehrt hatte, um sich selbst zu retten, und inzwischen nur noch in obligatorischen, seltenen E-Mails ihrer Schwester

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