Fillory - Der König der Zauberer: Roman (German Edition)
lassen?«
»Kann sein.« Er verzog das Gesicht und zeigte dabei unwillkürlich die interessanten Falten um den Mund. Julia liebkoste eine mit dem Finger. »Ich weiß es nicht.«
»Du weißt es nicht, oder du willst es nicht sagen?«
Nichts. Ein leerer Bildschirm. Sie hatte einen Absturz seines Systems verursacht. Na schön. Männer waren in dieser Hinsicht eben instabil, voll fehlerhafter, widersprüchlicher Codes, kläglich suboptimal. Sie ließ sich wieder auf das dünne Hotelkissen fallen.
»Also, wie groß sind deiner Meinung nach die Erfolgschancen für das Projekt Ganymed?«, fragte sie im Plauderton. »Prozentual gesehen?«
»Oh, ich denke, ziemlich gut«, antwortete Pouncy, dessen abgestürzte Persönlichkeit sich wieder bootete, nachdem sie sich auf sicherem Terrain befanden. »Ich schätze siebzig zu dreißig für uns. Und du?«
»Eher unentschieden. Fifty-fifty. Was hast du vor, falls es schiefgeht?«
»Dann werde ich es anderswo versuchen. Ich glaube immer noch, dass Griechenland am günstigsten für so etwas ist. Würdest du mitkommen?«
»Vielleicht.« Sie hatte keine Lust, ihm im Bett leere Versprechungen zu machen. »Obwohl hier der Wein besser ist. Ouzo ist nicht so mein Fall.«
»Das mag ich an dir.«
Über der kratzigen Hoteldecke spielte er mit ihren Fingern und betrachtete sie.
»Ich habe eben übrigens gelogen«, gestand er. »Ich weiß schon, wofür ich das tue, was ich mir wünschen würde. Jedenfalls teilweise. Es geht mir nicht so sehr um den Machtgewinn.«
»Ach so. Und worum dann?«
Jetzt wurde es spannend. Julia stützte sich auf einem Ellbogen ab, so dass die Decke von ihrer Schulter rutschte. Es war seltsam, sich vor Pouncy nackt zu zeigen, nachdem sie so viel Zeit bekleidet miteinander verbracht hatten. Überhaupt war es komisch, sich vor anderen auszuziehen. Es war wie mit dem kalten Wasser draußen in der Bucht: Anfangs kostete es Überwindung, reinzugehen, und man glaubte, man könne es nicht aushalten. Doch wenn man sich einmal daran gewöhnt hatte, war es herrlich. Es gab zu viel Versteckspiel im Leben. Manchmal hatte man einfach Lust dazu, jemandem seine Möpse zu zeigen.
»Ich war schon vor dir Mitglied bei Free Trader Beowulf. Du bist erst später dazugestoßen.«
»Ja, und?«
»Um es kurz zu machen: Du hast meine Rezepte nicht gesehen.« Pouncy grinste bedauernd, anders als sonst. »Von der Wirkstoffdosierung her halte ich den unangefochtenen Rekord bei Free Trader Beowulf. Anfangs wollten sie es gar nicht glauben.«
»Wirkstoffe gegen… Depressionen?«
Er nickte. »Ist dir schon mal aufgefallen, dass ich keinen Kaffee trinke? Und keine Schokolade esse? Ich kann nicht. Nicht mit den Mengen Nardil im Blut. Ich habe mindestens sechsmal Elektrokrampftherapien bekommen. Mit zwölf habe ich versucht, mich umzubringen. Meine Hirnchemie ist einfach im Arsch. Auf lange Sicht bin ich nicht lebensfähig.«
Julia fühlte sich beklommen. Sie wusste nie so recht, wie sie in solchen Situationen reagieren sollte, und war sich dieser Unfähigkeit bewusst. Vorsichtig legte sie die Hand auf seine glatte Brust. Etwas anderes fiel ihr nicht ein. Doch ihre Geste schien zu wirken. Entfernte er tatsächlich seine Körperbehaarung?
»Du glaubst also, unsere Madonna unter der Erde könne dich heilen? Wie Aschmodais Narbe oder was immer das war?«
Allmählich begriff Julia, was er ihr sagen wollte. Für ihn war das keine intellektuelle Übung oder ein Streben nach mehr Macht.
»Ich weiß es nicht genau«, sagte er beiläufig, als sei es ihm egal. »Ich weiß es wirklich nicht. Es wäre ein Wunder, und ich nehme an, Wunder sind die Aufgabe der Madonna. Aber ehrlich gesagt, habe ich es mir etwas anders vorgestellt.«
»Wie denn?«
»Wenn du lachst, schwöre ich, dass ich dich umbringe.«
»Vorsicht! Sie könnte dich hören.«
»Anschließend plädiere ich auf Unzurechnungsfähigkeit. Genügend Beweise hätte ich.«
Pouncys Gesicht war nicht von Natur aus ausdrucksvoll. Mit den ausgeprägten Wangenknochen hätte er als Model arbeiten können, jedenfalls, wenn er ein bisschen größer gewesen wäre, aber nicht als Schauspieler. Doch für einen Augenblick konnte Julia seine wahren Gefühle an seiner Mimik ablesen.
»Ich wünsche mir, dass Sie mich mit nach Hause nimmt«, gestand er. »Ich will, dass Sie mich in den Himmel mitnimmt.«
Julia lachte nicht. Sie begriff, dass sie ihr Alter Ego ansah, einen gebrochenen Menschen, nur dass Pouncy noch kaputter war als sie. Sie war es
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