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Fillory - Der König der Zauberer: Roman (German Edition)

Fillory - Der König der Zauberer: Roman (German Edition)

Titel: Fillory - Der König der Zauberer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lev Grossman
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dorthin, wo ein bescheidener Fischkutter vertäut war. Leichtfüßig sprang sie an Bord und begann, die Taue zu lösen.
    »Kommt schon!«, rief sie.
    Lacker bedeutete Quentin voranzugehen.
    »Manchmal muss man einfach handeln, Quentin«, sagte Julia, als er zu ihr ins Boot kletterte. »Du vertrödelst zu viel Zeit mit Warten.«
    Es tat gut, hinaus aufs Wasser zu fahren, aber es wehte kaum Wind, und als es wärmer wurde, fing der Kutter an zu stinken. Erstaunlicherweise kam plötzlich sein Besitzer unter Deck hervor, wo er geschlafen haben musste. Er war ein sonnengebräunter, wettergegerbter, graubärtiger Mann, der einen Overall ohne etwas Erkennbares darunter trug. Lacker wandte sich in einer Sprache an ihn, die Quentin unbekannt war. Der Fischer wirkte weder entrüstet, ja nicht einmal überrascht darüber, dass sein Boot von zwei Monarchen und einem Admiral gesteuert wurde.
    Lacker schien gemeinerweise trotz voller Uniform nicht unter der Hitze zu leiden, während sie an einer noch größeren Auswahl an ungeeigneten Schiffen vorbeiglitten. Die meisten lagen draußen in der Bucht vor Anker, weil ihr Kiel zu tief reichte, um bis zum Kai in den Hafen einzulaufen: ein großes, protziges Kriegsschiff, die aufgemotzte Vergnügungsyacht irgendeines Adligen, ein dicker, butterfarbener Handelspott.
    »Was ist mit diesem da?«, fragte Quentin und zeigte in die Ferne.
    »Ich bitte um Ihre Verzeihung, Eure Hoheit, mein Augenlicht hat im Dienste unserer großen Nation etwas nachgelassen. Sie meinen doch nicht etwa …«
    »Doch, das meine ich.« Schluss mit dem Theater. »Dieses, das dahinten!«
    Eine flache Sandbank ragte an einem Ende der Whitespire-Bucht hervor. Kurz davor lag ein Schiff im seichten Gewässer. Die Ebbe hatte es sanft zu einer Seite auf den sandigen Boden gelegt und den Schiffsbauch entblößt – wie ein gestrandeter Wal lag es da.
    »Dieses Schiff, Eure Hoheit, hat die Bucht schon seit langer Zeit nicht mehr verlassen.«
    »Trotzdem.«
    Teils aus Gründlichkeit, teils aus einem perversen Verlangen heraus, es dem Admiral heimzuzahlen, der ungeachtet seines Versprechens Fisimatenten machte, wollte sich Quentin den Kahn ansehen. Der Bootsmann wechselte einen langen Blick mit Admiral Lacker: Dieser Mann, drückte seine Miene aus, liebt sein Land.
    »Lassen Sie uns zur
Morgan Downs
zurückkehren.«
    »Das werden wir«, entgegnete Julia, »aber König Quentin wünscht zunächst, dieses Schiff zu besichtigen.«
    Es dauerte zehn Minuten, um zu dem Wrack überzusetzen. Die Segel flatterten, als der Skipper geschickt gegen den Wind kreuzte. Quentin nahm sich vor, ihn anschließend dafür zu entlohnen. Lustlos umrundeten sie das Wrack, das im flachen Wasser dümpelte. Der Rumpf war weiß gestrichen, aber die Farbe war verwittert und bis auf das graue Holz abgeplatzt. Die Umrisse waren ungewöhnlich, kühn und schwungvoll. Sie endeten in einem langen schlanken Bugspriet, der in der Mitte abgebrochen war.
    Quentin gefiel das Schiff. Es war weder so schroff und klotzig wie ein Kriegsschiff noch so verspielt und aufgepeppt wie eine Yacht. Es war elegant, aber solide. Schade, dass es nur noch ein Wrack und kein Schiff mehr war. Vielleicht, wenn er fünfzig Jahre früher gekommen wäre …
    »Was meinen Sie?«
    In der Stille schabte der Kiel des Kutters laut hörbar über den sandigen Boden. Admiral Lacker ließ seinen Blick über den Horizont wandern. Er räusperte sich.
    »Nun, ich denke, das Schiff hat schon bessere Tage gesehen«, sagte er schließlich.
    »Was es wohl einmal gewesen ist?«
    »Ein Arbeitstier«, meldete sich der Skipper heiser zu Wort. »Hirsch-Klasse. War auf der Route zwischen hier und Longfall unterwegs.«
    Quentin war bisher nicht aufgefallen, dass er Englisch sprach.
    »Sieht gut aus«, sagte er, »oder besser: Es sah gut aus.«
    »Das war eines der schönsten Schiffe, die jemals gebaut wurden«, erwiderte Admiral Lacker feierlich.
    Quentin konnte nicht einschätzen, ob Lacker scherzte oder nicht. Obwohl es offensichtlich war, dass er niemals scherzte.
    »Wirklich?«, fragte Quentin.
    »Kein Schiff kam an die Modelle der Hirsch-Klasse heran«, fuhr Lacker fort. »Sie waren dazu gebaut, Bergholme aus Longfall zu transportieren und auf dem Rückweg Gewürztrunk zu laden. Schnell und robust. Man konnte mit ihnen zur Hölle und wieder zurücksegeln.«
    »Aha. Und warum gibt es keine mehr von ihnen?«
    »Weil Longfall die Bergholme ausgingen«, antwortete der Skipper, der langsam gesprächig wurde.

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