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Fillory - Der König der Zauberer: Roman (German Edition)

Fillory - Der König der Zauberer: Roman (German Edition)

Titel: Fillory - Der König der Zauberer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lev Grossman
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genauen Einzelheiten habe ich nie erfahren, aber er sorgte für große Aufregung. Ich glaube, dafür bezahlt man unter anderem so viel Geld: für erstklassige Aufregung. Jedenfalls sah ich Julia zum ersten Mal, als sie angeschnallt auf einer Trage durch die Lobby transportiert wurde, tropfnass und fluchend wie ein Droschkenkutscher. Sie versicherte unablässig, es ginge ihr gut, sie habe nichts. Nehmt eure dreckigen Pfoten weg, ihr Neandertaler!
    Am nächsten Tag kam ich so gegen drei, vier Uhr in die Bar, und da war sie wieder. Sie trug Schwarz, saß ganz allein an einem Tisch und trank einen Cocktail, Wodka Gimlets, glaube ich. Die mysteriöse Dame. Es war peinlich offensichtlich, dass sie nicht in diesen Nobelspa gehörte. Ihr Haar war das reinste Rattennest, einfach unvorstellbar. Noch schlimmer als jetzt. Und ihre Nagelhaut war abgekaut bis aufs Blut. Sie hielt sich krumm, stotterte nervös und hatte keine Ahnung, wie man sich in einem solchen Hotel benimmt. Sie wollte den Angestellten Trinkgeld geben und sprach die Namen französischer Weine wie eine Französin aus.
    Natürlich fühlte ich mich sofort zu ihr hingezogen. Ich hielt sie für eine Russin. Die Tochter eines inhaftierten Oligarchen, irgend so etwas. Niemand anderes als eine Russin hätte sich den Aufenthalt dort leisten und gleichzeitig so schlecht frisiert sein können. Janet mutmaßte, dass sie gerade aus der Entzugsklinik gekommen war und dem Aussehen nach postwendend dorthin zurückkehren würde. Jedenfalls stürzten wir uns auf sie wie Verhungernde.
    Unsere Taktik war raffiniert. Der Trick bestand darin, sie nicht nervös zu machen, wo sie doch sichtlich angespannt war. Janet, diese Meisterin der Verführung, kriegte sie schließlich rum – sie baute sich im Foyer auf und klagte lauthals über ein ziemlich kompliziertes Computerproblem. Man konnte es Julia förmlich ansehen, wie sie mit sich kämpfte, aber sie fiel darauf herein.
    Anschließend war es – na ja, du weißt ja, wie das im Urlaub so geht. Sobald du die Leute erst mal kennengelernt hast, kannst du ihnen nicht mehr ausweichen. Wir begegneten uns praktisch überall. Man würde nicht meinen, dass so ein Laden ihr Stil wäre, oder? Aber da war sie, bis zum Hals in Schlamm, mit Gurkenscheiben auf den Augen, hüpfte in Bäder rein und wieder raus und rannte in die Sauna. Einmal wollte Janet mit ihr ins Dampfbad gehen, aber sie drehte die Temperatur so hoch, dass alle flüchteten. Wahrscheinlich ließ sie sich auch mit Birkenzweigen schlagen. Es war, als müsse sie sich von irgendeinem hartnäckigen Makel reinwaschen.
    Es stellte sich heraus, dass sie eine Schwäche fürs Kartenspielen hatte, darum verbrachten wir Stunden damit, zu trinken und zu dritt Bridge zu spielen. Geredet wurde dabei nicht. Natürlich wussten wir nicht, dass sie eine Hexe ist. Woher auch? Aber man spürte, dass ein furchtbares Geheimnis sie quälte. Außerdem besaß sie alle guten Eigenschaften einer Magierin: widerlich intelligent, ziemlich traurig und ein bisschen schräg. Um die Wahrheit zu sagen, ich glaube, wir mochten sie unter anderem deswegen, weil sie uns an dich erinnerte.
    Du weißt doch, wie Hercule Poirot in den Büchern immer auf Reisen geht, um von allem Abstand zu gewinnen, von diesen mysteriösen Kriminalfällen und so weiter, nur um auf der Insel, auf die er sich auf der Suche nach Ruhe, Frieden und einer gepflegten Gastronomie geflüchtet hat, in einen Mord verwickelt zu werden? Genauso war es bei uns auch, nur mit dem Unterschied, dass wir vor der Magie geflohen waren. Eines Nachts ging ich gegen zehn, elf Uhr rüber zu Julias Bungalow. Janet und ich hatten uns gestritten, und ich war auf der Suche nach jemandem, bei dem ich mich über sie beklagen konnte.
    Als ich an Julias Fenster vorbeiging, sah ich, dass sie ein Feuer anzündete. Das war seltsam, um ehrlich zu sein. Die offenen Kamine waren enorm groß in diesen Bungalows, aber es war mitten im Sommer, und niemand mit einem Funken Verstand benutzte sie. Aber Julia hatte ein loderndes Feuer entfacht. Sie ging sehr methodisch vor und platzierte die Holzscheite ganz behutsam. Sie markierte jedes Scheit, bevor sie es zu den anderen stellte – kratzte Rindenreste mit einem kleinen silbernen Messer ab.
    Und wie ich sie so beobachtete … ich weiß nicht, wie ich es beschreiben soll, damit du es verstehst – sie kniete vor dem Feuer nieder und begann, Gegenstände hineinzulegen. Manche Sachen waren offensichtlich wertvoll – eine seltene

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